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Ecuador

Ein Land, auf das wir mit gemischten Gefühlen zurückblicken. Doch auch wenn die Ereignisse einen Schatten über unsere Erinnerungen werfen, steht eines fest: Ecuador ist in jeder Hinsicht unfassbar vielfältig und wir möchten, mit Ausnahme einiger Momente, keine Sekunde missen.


Der erste Eindruck von Ecuador könnte kaum besser sein. Die Strasse, auf der wir seit der Grenze fahren, ist tadellos und führt uns über grüne Hügel vorbei an kleinen Dörfchen. Kurz vor unserem Etappenziel, einem Campingplatz in der Nähe von Ibarra, sehen wir eine Waschanlage und entschliessen uns spontan, Melvan etwas Gutes zu tun. Die Umleitung, die wir vor einigen Tagen nehmen mussten, hat seine Spuren hinterlassen und so haben die beiden Jungs alle Hände voll zu tun, den Dreck von Melvan wieder wegzuwaschen. Eine halbe Stunde später treffen wir blitzeblank auf dem Campingplatz ein. Die Finca Sommerwind wird online als der Treffpunkt für Overlander in Ecuador gepriesen, uns haut er nicht gerade um. Das hat vor allem damit zu tun, dass direkt gegenüber eine Rennstrecke ist, auf der gerade einiges los ist. Wir werden vom deutschen Besitzer begrüsst und suchen uns einen Platz aus. Als wir Melvan parken wollen, rumpelt es erst kurz und wenige Sekunden später ist es still. Was ist jetzt los? Wir lassen nochmal an, fahren ein paar Meter, selbes Resultat. Wir vermuten, dass die Unterbodenwäsche mit dem Hochdruckreiniger wohl doch etwas zu viel für unser in die Jahre gekommenes Modell war und beschiessen, erst mal alles trocken zu lassen und es morgen nochmal zu versuchen.

Bei der Probefahrt um den See am nächsten Tag scheint sich unsere Vermutung zu bestätigen. Ohne weitere Zwischenfälle kommen wir zurück zum Campingplatz und sind erleichtert, dass sich unser Problem quasi in Luft aufgelöst hat. Ausserdem haben wir bei unserer kurzen Spritztour gesehen, dass es eine perfekt asphaltierte Fussgängerzone um den See gibt. Eine Seltenheit in Lateinamerika. So packen wir unsere Skateboards, die wir seit Kalifornien nicht mehr aus unserer Dachbox genommen haben, aus und cruisen gemächlich dem Ufer entlang. Zu fest verausgaben wollen wir uns nicht, denn morgen steht eine längere Wanderung auf dem Programm.

Wir fragen unseren Gastgeber nach dem Weg und verabschieden uns. Bis zum Vulkan Imbubara sind es zwar nur wenige Kilometer, aber es ist schon spät und wir wollen nicht im Dunkel fahren. Die Strasse dorthin verlangt Melvan einiges ab. Über eine schlecht gepflasterte Strasse geht es steil den Berg hinauf. Teilweise so steil, dass wir selbst mit durchgedrücktem Gaspedal kaum vorwärtskommen. Wir müssen uns eingestehen, dass es kein gutes Ende nimmt, wenn wir so weitermache und kehren entmutigt um. Bei einem Hostel, das wir auf dem Weg gesehen haben, fragen wir, ob wir eine Nacht im Garten verbringen dürfen und werden herzlich aufgenommen. Sogar ein Taxi organisiert uns die Besitzerin für den nächsten Tag, damit wir die letzten vier Kilometer zum Beginn des Wanderweges nicht auch noch steil hoch laufen müssen.

Pünktlich um 5:00 Uhr steht das Taxi bereit. Mit müden Augen steigen wir ein und lassen uns über den holprigen, steilen Pfad nach oben chauffieren. Mit Melvan hätten wir das nie und nimmer geschafft. Oben angekommen schalten wir unsere Stirnlampen ein und laufen los. Es ist noch dunkel und so folgen wir bis zum Sonnenaufgang einfach dem schmalen Pfad, ohne etwas von unserer Umgebung zu sehen. Als sich die Sonne dann langsam am Horizont blicken lässt, ist die Aussicht phänomenal. Direkt gegenüber von uns der schneebedeckte Cotopaxi, der zweithöchste Vulkan Ecuadors, unter uns der Yahuarcocha See, an dem wir die letzten Tage verbracht haben. Wir halten einen Moment inne, entscheiden uns wegen der aufziehenden Wolken dann aber zügig weiterzugehen. Wenig später müssen wir einsehen, dass wir das Wettrennen gegen die Wolken verlieren. Der Gipfel, den wir besteigen wollen, ist bereits komplett eingehüllt und so geben wir uns nach einer kurzen Pause geschlagen und beginnen auf halber Strecke den Abstieg.

Obwohl uns Melvan den gestrigen Tag nicht ganz bis an unser Ziel gebracht hat, hat er tadellos funktioniert. Umso erstaunter sind wir, als vor einer Bodenschwelle im Dorf der Motor ausgeht. Ich mache die Warnblinker an und messe den Ölstand und tatsächlich haben wir eine beträchtliche Menge Öl verloren. Wir giessen nach, fahren weiter und alles ist wieder wie gehabt. Vorerst. Eine halbe Stunde später auf der Hauptstrasse selbes Bild. Erst ruckeln, dann stille, mit neuem Öl aber alles wieder gut. Ratlos rufen wir den Besitzer der Finca Sommerwind an und fragen ihn nach einem guten Mechaniker in der Stadt. Dieser meint aber, wir sollen zu ihm kommen, er bestelle uns einen Mechaniker auf den Campingplatz. Gesagt, getan. Wenig später beugen wir uns zu dritt über den Motor uns suchen nach dem Problem. Der Mechaniker braucht allerdings nur wenige Sekunden, um unser Vertrauen in ihn zu zerstören. Erst müssen wir für sein Taxi bezahlen, da er selbst kein Auto besitzt. Als er mich dann noch nach einem Schraubenzieher fragt, weil er kein Werkzeug mitgebracht hat, ist der Fall für uns klar. Wir gehen nach Quito.

Ivan, der seine Werkstatt in Quito hat, ist auf VW Vanagons spezialisiert und wurde uns von anderen Reisenden mit demselben Auto empfohlen. Auf dem Weg dorthin herrscht im Auto Totenstille. Jedes Geräusch wird besprochen und analysiert. Bei jeder Tankstelle halten wir an, um den Ölstand zu kontrollieren, der aber glücklicherweise stabil bliebt. In Quito angekommen, schildern wir Ivan unser Problem und drehen eine Proberunde, bei der, wie könnte es anders sein, alles reibungslos läuft. Als wir dann aber das Öl ablassen, können wir kaum fassen, was wir sehen. Pechschwarz und voller Metallsplitter. Kein gutes Zeichen, das wissen wir spätestens seit Costa Rica. Auch Ivans Miene verdunkelt sich, er will aber erst noch den Motor ausbauen, um Gewissheit zu haben. Wir sind am Boden zerstört und brauchen erst mal Abstand von allem. Nachdem wir uns von Ivan versichern lassen haben, dass er uns kontaktiert, sobald es Neuigkeiten gibt, packen wir ein paar Sachen zusammen und flüchten in ein Airbnb.

Und tatsächlich ist der Worst Case eingetroffen. Zylinder, Motorblock, Kurbelwelle und einige andere Teile sind futsch. Auslöser war eine Luftklappe, die falsch montiert war und sich deshalb nicht geöffnet hat, was zur Überhitzung des Motors führte. Bitter, vor allem, weil wir unserem Mechaniker in Costa Rica schon nach der ersten Probefahrt gesagt haben, dass wir das Gefühl haben, der Motor werde zu schnell heiss. Nur 5000 Kilometer später stehen wir wieder am selben Punkt. Die nächsten Tage loten wir unsere Optionen aus, kommen aber zum Schluss, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als den Schaden zu reparieren. Zutiefst deprimiert verkriechen wir uns die kommenden Tage in unserer Unterkunft und versuchen uns mit Fernsehen etwas abzulenken. Auf Sightseeing haben wir keine Lust.

So kann es nicht weitergehen. Bis der Mechaniker alle Teile zusammen hat, wird es noch ein paar Wochen gehen. Solange Trübsal blasen, ist keine Option. Zum Glück fragen uns befreundete Reisende (Tom & Eve, Saskia & Coen), ob wir mit ihnen für 14 Tage auf die Galapagos Inseln kommen wollen. Eigentlich wollten wir das Archipel aus finanziellen Gründen auslassen, aber wir brauchen die Ablenkung mehr denn je und so stehen wir ein paar Tage später mit gepackten Taschen am Flughafen und checken ein.

Als wir in Santa Cruz aussteigen, trifft uns die Hitze wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Mit dem klimatisierten Bus geht es vom Flughafen in die Stadt und danach zu Fuss zu unserem Hostel, wo wir erst mal Jeans gegen Shorts tauschen. Wir laufen ein wenig dem Ufer entlang zum Pier und können kaum glauben, was wir unterwegs alles sehen. Baby-Haie und Rochen schwimmen dem Ufer entlang, Iguanas sonnen sich gut getarnt auf den schwarzen Steinen, Pelikane warten beim Fischmarkt auf ihren Anteil der Beute und als wir am Pier ankommen, liegen da genüsslich ein paar Seelöwen. Total aus dem Häuschen treffen wir die anderen und berichten beim Abendessen von unseren Entdeckungen.

Motiviert, noch mehr von der Tierwelt zu sehen, stehen wir am nächsten Morgen früh auf, packen unsere Taucherbrille und Schnorchel und laufen an einen Strand etwas ausserhalb. Leider ist das Wasser trüb und wir sehen kaum etwas. Nach dem Mittagessen entscheiden wir uns deshalb, es im Naturreservat am anderen Ende der Stadt zu versuchen. Der Fussmarsch ist lange und die Sonne gnadenlos. Der Pfad führt uns durch ein Feld von Lavagestein vorbei an einem Strand in eine Mangroven-Bucht. Unterwegs treffen wir auf so viele Iguanas, die sich in der prallen Sonne aufwärmen, dass wir vorsichtig sein müssen, nicht versehentlich auf einen zu treten. Wir deponieren unsere Rucksäcke unter einem Baum und springen ins Wasser. Leider ist auch hier das Wasser so trüb, dass wir kaum eine Armlänge sehen können. Da das Wasser an dieser Stelle aber sowieso nur knietief ist, waten wir durch die Bucht und bekommen doch tatsächlich zwei kleine Hammerhaie zu Gesicht!

Galapagos besteht aus mehr als hundert Inseln, wovon fünf bewohnt sind. Alle können wir also unmöglich besuchen und so haben wir uns gemeinsam auf drei festgelegt. Heute geht es mit dem Boot weiter nach Isabela. Wir fahren gegen die Strömung und die Wellen sind nicht gerade klein, dennoch hält sich der Kapitän, ungeachtet davon, dass seine Fahrgäste hin und her geschleudert werden, nicht zurück mit dem Gas. Nach drei Stunden sind wir völlig fertig und dankbar, endlich wieder Land unter den Füssen zu haben. Wir checken ein, gehen etwas essen und verschieben das Sightseeing auf morgen. Es ist ohnehin schon spät geworden.

Heute ausnahmsweise mal eine Land-Aktivität. Wir mieten uns Fahrräder und radeln zur „Wall of Tears“. Die Natursteinmauer steht mitten im Nirgendwo und wurden in den 50er Jahren von Strafarbeitern und politischen Gefangenen errichtet. Berichten zufolge sollen dabei tausende ums Leben gekommen sein. Ein dunkles Kapitel der Geschichte von Galapagos. Bis wir die Wand zu sehen bekommen, treten wir aber erst mal für sieben Kilometer in die Pedale. Eigentlich nicht viel, wäre da nicht diese Hitze. Glücklicherweise kommt die Ausrede für eine Pause ganz von selbst. Eine Galapagos Schildkröte versperrt uns den Weg und verschlingt genüsslich die heruntergefallenen Früchte eines Baumes. Schnell packen wir unsere Kameras aus und schiessen ein paar Fotos. Die gigantische Schildkröte scheint das nicht zu stören, sie mampft gemütlich weiter. Kein Wunder, hat sie doch keine natürlichen Feinde auf der Insel.

Bei der Mauer angekommen, ist es Mittag. Die Sonne ist bestialisch heiss und wir können uns nur vorstellen, wie die armen Teufel gelitten haben müssen, die dieses nutzlose Bauwerk errichtet haben. Im Schatten eines Pavillons ruhen wir uns kurz aus, bevor wir den Rückweg antreten. Zum Glück geht es mehrheitlich bergab und unterwegs stoppen wir an einer kleinen, von Mangroven überwucherten Bucht, um uns im Wasser ein wenig abzukühlen. Ein Seehund scheint es uns gleichzutun und beobachtet uns interessiert, aber immer mit gebührendem Abstand im seichten Wasser. Da wir die Fahrräder für den ganzen Tag zur Verfügung haben, entscheiden wir uns noch ein bisschen Strecke zu machen und fahren weiter zu Concha de Perla, einer Bucht am anderen Ende des Dorfes, um schnorcheln zu gehen. Auch hier führt ein Pfad durch die dichten Mangroven, bevor wir auf einer kleinen Plattform vor der offenen Bucht stehen, wo es sich Seehunde und Iguanas gemütlich gemacht haben. Das Wasser ist kristallklar und zum ersten Mal sehen wir, die Artenvielfalt der Unterwasserwelt von Galapagos. Um uns herum schwimmen hunderte bunte Fische, als wären wir in einem Aquarium.

Wir holen alles raus und fahren noch zu einer nahegelegenen Lagune, bevor wir die Fahrräder zurückbringen müssen. Denn auch für Vogelliebhaber hat die Insel etwas zu bieten. In den kleinen Salzwasserdümpeln stehen vereinzelt ein paar Flamingos und suchen nach essbarem. Wir beobachten sie noch eine Weile, wie sie mit ihren langen Hälsen und den krummen Schnäbeln im Schlamm herumstochern und treten danach den Rückweg zur Velovermietung an.

Uns hat die Lagune Concha de Perla gestern so gut gefallen, dass wir uns entschieden haben, heute gleich nochmals zu gehen. Um möglichst alleine zu sein und gute Sichtverhältnisse zu haben, machen wir uns schon bei Sonnenaufgang auf den Weg. Es ist windstill und das Meer ruhig. Perfekte Bedingungen, um schnorcheln zu gehen. Wir drehen ein paar Runden und als uns nach einer Stunde langsam kalt wird, sehe ich auf dem Weg zum Steg plötzlich einen grossen, dunklen Schatten an mir vorbeiziehen. Wenige Sekunden später starrt mir ein Seehund direkt in die Augen. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll und erstarre. Doch der Seehund scheint keine bösen Absichten zu haben und schwimmt um mich, als wäre es eine Aufforderung für ein Spiel. Ich tauche ab und der Seehund tut es mir gleich. Immer wieder halten wir inne und schauen uns direkt in die Augen. Ein magischer Moment.

Aus finanziellen Gründen haben wir bisher organisierte Touren gemieden und wo es geht die Inseln auf eigene Faust erkundet. Heute jedoch fahren wir mit einem Guide zu Los Tuneles. Mit dem Boot geht es eine Stunde entlang der Küste von Isabela, bis wir in einer felsendurchzogenen Bucht ankern. Den Namen hat dieser wundersame Ort von den vielen Brücken und Tunnels, die einst von den Lavaströmen geformt wurden. Wir gehen an Land und laufen über die natürlichen Brücken von Fels zu Fels, bis wir vor einem Busch haltmachen. Darunter hat es sich ein lustig dreinschauendes Vogelpaar gemütlich gemacht. Die Blue Footed Boobies oder zu Deutsch Blaufusstölpel werden ihrem Namen in jeder Hinsicht gerecht. Über die Hälfte der weltweiten Population lebt auf den Galapagos Inseln, weshalb sie hier, wie viele andere Tiere, einen Schutzstatus erhalten haben. Als würden die etwas bedeppert dreinschauenden Vögel davon Wind bekommen haben, lassen sie sich von uns überhaupt nicht aus der Ruhe bringen.

Jetzt aber ab ins Wasser! In der Gruppe schwimmen wir durch die Tunnels und werden dabei von unserem Guide immer wieder auf vorbeiziehende Tiere hingewiesen. So entdeckt er am Grund ein Seepferdchen, das wir ohne ihn wohl glatt übersehen hätten. Weniger schwierige zu entdecken waren die Schildkröten. Alle zehn Meter sehen wir die gemütlichen Tiere, wie sie an Seegras knabbern oder sich scheinbar schwebend fortbewegen. Sogar einige junge Riffhaie und Rochen schwimmen an uns vorbei. Wieder auf dem Boot gibt es ironischerweise ein Thun Sandwich, bevor es zurück in den Hafen geht.

Auf San Cristobal, der dritten und somit letzten Insel, die wir besuchen, steigt uns schon bei unserer Ankunft ein beissender Gestank in die Nase. Dutzende Seelöwenmütter und ihre Babies tummeln sich am Strand, während die Sonne langsam untergeht. Es ist schon süss, wie sich die Kleinen blökend ihre Mutter versuchen zu überzeugen, ihnen noch einen Nachtisch zu gönnen. Nur wie gesagt, der Gestank ist eine Klasse für sich. Saskia und Coen sind wegen ihrer Hündin, die in Quito in einem Hundehotel auf sie wartet, bereits gestern wieder auf das Festland gereist und so suchen wir uns wenig später zu viert ein Restaurant, das etwas abseits der Strandpromenade liegt.

Mit dem Taxi geht es am nächsten Tag zu einer Aufzuchtstation für Galapagos Schildkröten am anderen Ende der Insel. Tatsächlich gibt es 15 verschiedene Arten von Galapagos Riesenschildkröten, wovon seit der Entdeckung des Archipels bereits fünf ausgerottet wurden. Die Tiere wurden von Seefahrern als Proviant mitgenommen oder schlichtweg zum Vergnügen gejagt. Heute stehen sämtliche Arten unter Schutz und werden in wissenschaftlichen Einrichtungen wie dieser gezüchtet. Es ist schon erstaunlich zu sehen, wie klein diese Giganten ihr leben beginnen. Nicht einmal faustgross sind die kleinsten, die wir auf unserem Rundgang sehen. Die Älteren von ihnen hingegen dürften miterlebt haben, wie Charles Darwin 1935 das erste Mal Fuss auf die Inseln gesetzt hat und somit den ersten Funken für die Idee der Evolutionstheorie gesprungen ist.

Da wir schon mal auf dieser Seite der Insel sind, lassen wir uns noch an einen nahegelegenen Strand fahren, schnorcheln um das Riff und liegen in der Sonne, bis wir wieder trocken sind. Auf dem Rückweg machen wir Halt an einem inaktiven Vulkan, steigen die steile Treppe bis ganz nach oben und haben eine herrliche Aussicht über den Kratersee und das Meer dahinter. Zurück in der Stadt setzten wir dem Tag mit einem Craft-Bier in einer Strandbar die Krone auf und fallen nach einem weiteren ereignisreichen Tag erschöpft ins Bett.

An unserem letzten Tag auf der Insel gehen wir, wer hätte es gedacht, schnorcheln. Tatsächlich sehen wir noch einmal Seehunde, wie sie Unterwasser an uns vorbeigleiten und jede Menge Fische. Uns geht aber auch langsam die Puste aus und da es in der Bucht keine Möglichkeit gibt, sich in den Schatten zu setzten, laufen wir zu einem Strand, der sowieso auf unserem Nachhauseweg liegt, legen uns unter einen Baum und dösen vor uns hin.

Heute wird ein langer Tag. Pünktlich um 6:00 Uhr stehen wir am Pier und gehen an Bord der Fähre. Nach drei Stunden Fahrt kommen wir am Hafen von Santa Cruz an. Von dort aus geht es wieder mit dem Bus zurück zum Flughafen. Die Schlange am Check-in-Schalter ist lang. Als wir an der Reihe sind, erfahren wir den Grund. Kein Internet. Auch wir konnten wegen des schlechten Empfangs auf der Insel nicht vorher online einchecken, dass es das Bodenpersonal auch nicht kann, erstaunt uns dennoch. Mit einer handgeschriebenen Bordkarte geht es in den Wartebereich und schon kurz darauf zum Boarding. Über den Wolken denken wir über die vergangenen Tage nach und wie viele einzigartige Erfahrungen wir machen durften, während uns langsam die Augen zufallen.

In Quito ist alles wie gewohnt. Grau, lärmig und, speziell nach den zwei Wochen Strand, arschkalt. Die Besorgung einiger Ersatzteile für Melvan hat etwas länger gedauert und so konnte Ivan, unser Mechaniker, erst gestern mit den eigentlichen Reparaturen beginnen. Dass das noch eine ganze Weile dauern kann, ist selbsterklärend. Zum Glück haben wir genau für diesen Fall schon einen Plan B bereit. Wir tauschen Badehosen gegen Wollmützen, schultern unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg nach Otavalo. Mit dem City-Bus geht es Richtung Terminal, da dieser aber alle paar Meter hält und uns nur noch 30 Minuten bleiben, bis unser Bus nach Otavalo, der bereits um 14:00 Uhr fährt, geht, steigen wir auf ein Uber um. Gerade noch rechtzeitig stürmen wir in die Halle zu den Ticketschaltern, wo wir unsere Reservation zeigen. Mitleidig schaut uns die Frau an und sagt, dass wir das Ticket für 2 Uhr nachts gebucht haben. Alles Betteln nützt nichts, sie bleibt hart. Noch mehr als der finanzielle Verlust regt uns auf, dass wir uns die Rennerei hätten sparen können. Mit dem neu gelösten Ticket steigen wir in den Bus, der dann auch wenige Minuten später fährt. Aber es geht noch weiter. Nächster Halt: Quito Nord. Als wir unsere Busfahrt im Internet recherchiert haben, war da immer nur die Rede von dem Busterminal, aus dem wir gerade losgefahren sind. Von Norden, von wo wir ironischerweise gerade fast zwei Stunden zum Süd-Terminal gebraucht haben, steht da nie etwas. In Otavalo setzt uns der Busfahrer dann, um Zeit zu sparen, einfach am Rande der Autobahn ab, anstatt uns zum Busterminal zu fahren, weshalb wir auch hier noch ein Taxi nehmen müssen. Als wir in unserem Hotel ankommen, behauptet der Hotelangestellte dann noch, wir hätten keine Reservation. Uns platzt fast der Kragen. Wir zeigen unsere Buchungsbestätigung und sagen ihm, er soll seinen Vorgesetzten kontaktieren, worauf die Buchung dann wie durch ein Wunder doch noch auftaucht. Ein Tag für die Tonne und wir merken schnell, dass wir uns das Backpacking Leben nicht mehr gewöhnt sind.

Am nächsten Morgen sieht die Welt schon ein bisschen besser aus. Wir stehen auf, ziehen uns an und gehen nach draussen. Die ersten Marktstände stehen schon, viele sind aber noch im Aufbau. Otavalo ist berühmt für seinen indigenen Kunstmarkt, einer der Gründe, weshalb wir hier hergekommen sind. Wir holen uns einen Kaffee und verstricken uns in ein längeres Gespräch mit einem Amerikaner. Als wir wieder losgehen, ist der Markt schon in vollem Gange. Überall werden bunte Tücher, Pullover, Mützen, Ponchos, Schals und was man sonst noch so aus Alpaca Wolle machen kann, angeboten. Auch wir sind ausnahmsweise mal auf der Suche nach Souvenirs. Zwar haben uns die limitierten Platzverhältnisse in Melvan in der Vergangenheit immer daran gehindert, Mitbringsel zu kaufen, aber das Angebot hier ist wirklich erstaunlich und es wäre schade, keinen Gegenstand zu haben, der uns an diese Zeit erinnert. Wir probieren einige Pullover an, müssen aber feststellen, dass der Schnitt nichts für grossgewachsene Mitteleuropäer ist. Eine Decke aus Alpaca Wolle und einige weitere Kleinigkeiten finden dann aber doch noch ein neues Zuhause mit uns.

Am darauffolgenden Tag fahren wir mit dem Bus zum Cuicocha See. Der Kratersee liegt in einem Naturschutzgebiet auf 3200 Meter über dem Meeresspiegel und entstand vor schätzungsweise 3000 Jahren beim Ausbruch eines Vulkans. Heute ist es ein beliebtes Ziel für Tagesausflügler und Wanderer. Auch wir begeben uns auf die 10 Kilometer lange Rundwanderung um den See. Der Weg ist mehrheitlich flach und, im Gegensatz zu anderen Wanderungen, die wir in Südamerika schon unternommen haben, wenig anspruchsvoll. Genau das, was wir brauchen.

Die vergangenen Wochen haben wir immer wieder lange und intensiv über unsere unmittelbare Zukunft nachgedacht. Klar, wir haben unserem Mechaniker den Auftrag gegeben, Melvan wieder fahrtüchtig zu machen, aber was, wenn er das nicht hinbekommt? Und selbst wenn, wollen wir überhaupt noch mit einem Auto quer durch die Anden fahren, dass uns schon zwei Mal im Stich gelassen hat? Wir spielen die wildesten Szenarien durch. In einem davon verkaufen wir Melvan und fahren mit dem Fahrrad durch Europa, bis wir im Herbst wieder in unsere Wohnung können. Offen für alles sein, lautet die Devise. Ein weiterer Punkt sind die Finanzen. Zwar haben wir noch genügend auf der hohen Kante, um bis nach Ushuaia reisen zu können, dennoch reisst die Reparatur ein Loch in unser Budget, dass wir gerne wieder stopfen würden. Wir hatten schon länger die Idee, uns selbstständig zu machen, wenn wir wieder in der Schweiz sind, aber wieso eigentlich nicht jetzt? Alles, was wir dazu brauchen, sind Laptops und Zeit. Beides haben wir, also los! Die nächsten Tage verbringen wir praktisch ausschliesslich in einem Café um die Ecke, das uns als Büro dient und brainstormen, konzipieren und entwickeln von früh bis spät. Die Geburt von Freiluft Büro, unserer eigenen Webagentur!

Nach über einer Woche vieler Arbeit und einer Überdosis Koffein sind wir bereit für ein verdientes, langes Wochenende. Wir machen Zwischenstopp in Quito, wechseln kurz ein paar Kleider und schauen nach Melvan, danach fahren wir mit dem Bus nach Latacunga und am nächsten Morgen weiter nach Quilotoa. Von dort aus sind wir die nächsten drei Tage zu Fuss auf dem Quilotoa Loop, einem Wanderweg durch die Bergregion Ecuadors, unterwegs. Wir starten am Kratersee und entscheiden uns, statt den direkten Weg, rechts um den See zu laufen. Wir spüren die Höhe, schliesslich sind wir auf fast 4000 M.ü.M., und legen immer wieder mal eine kurze Pause ein, um uns zu akklimatisieren. Als ich in einer Berghütte meinen ersten Coca-Tee trinke, Livia verzichtet wegen Magenschmerzen auf ihren, fragen wir den Wirt, wie lange es zu Fuss noch dauert, bis zu unserem Tagesziel. 8 Stunden, antwortet er. Es ist schon fast Mittag und wir hätten nie damit gerechnet, dass uns der Umweg in unserer Zeitplanung so nach hinten wirft. Wie von einer Biene gestochen springen wir auf, bezahlen den Tee und rennen los. Leider geht es Livia's Magen, den sie sich am Abend zuvor verdorben haben muss, zunehmend schlechter und so fragen wir, als wir an einem Bauernhof vorbeikommen, ob uns jemand mit dem Auto zum Hostel fahren könne. Wir sind heilfroh, dass wir uns so die letzten Kilometer Fussweg ersparen konnten. Als wir in der erstaunlich modernen Unterkunft ankommen, hüpfen wir erst mal unter die heisse Dusche und schlingen danach das Abendessen herunter, das schon bereitsteht.

Am nächsten Morgen geht es Livia zum Glück schon besser und so laufen wir, nachdem wir unser Lunch-Paket entgegengenommen haben, los. Um denselben Fehler nicht zweimal zu begehen, haben wir unsere heutige Route zuvor online recherchiert. Rund vier Stunden geht es mit einer fantastischen Aussicht dem Kamm eines Berges entlang, bevor wir den Abstieg ins Tal beginnen. Wir folgen einem gemütlich plätschernden Fluss vorbei an grünen Weiden, Wiesen und Wäldern. Hie und da begegnen wir einem Hirten, ansonsten sind wir praktisch alleine unterwegs. Unser Lunch-Paket vertilgen wir hungrig auf einer kleinen Erhöhung mit Blick ins Tal. Wenig später laufen uns drei putzige Lamas über den Weg, die uns beim Vorbeigehen beobachten, bevor wir dann auch schon in Isinliví, unserem Ziel für heute ankommen. Wir sind früh dran und so legen wir uns, nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, in eine Hängematte und geniessen die Nachmittagssonne bei einem kühlen Bier.

Dritter Tag und wieder ist das Wetter prächtig, als wir loslaufen. Immer weiter am Fluss entlang führt uns der Weg tiefer ins Tal hinein. Vor zwei Tagen sind wir mit Daunenjacke und Wollmütze losgelaufen, jetzt sind wir im T-Shirt unterwegs. Es gibt einige Farmen und so laufen wir immer wieder mal an neugierigeren Esel, Lämmlein oder Kühen vorbei. Wir haben unseren Rhythmus gefunden und kommen zügig voran, sodass wir bereits mittags in Sigchos, dem Ende unserer Wanderung, ankommen. Eigentlich wollten wir noch eine Nacht hier bleiben, da wir aber nun schon so früh dran sind, entscheiden wir uns spontan schon jetzt den Rückweg nach Quito anzutreten.

Wieder mit dem Bus nach Latacunga und von da aus nach Quito. Als wir am Abend in unserem Airbnb eintreffen, sind wir hundemüde. Doch Robyn und Rafiq, die wir das letzte Mal in Kolumbien gesehen haben, sind ebenfalls in der Stadt. Wir sind zum Abendessen verabredet und so raffen wir uns dennoch auf und treffen die beiden in einer Bar um die Ecke. Das Wiedersehen ist ein wenig emotional, nicht zuletzt, weil ihre Hündin Daku, auf die wir in Costa Rica für einen Monat aufgepasst haben, sich nach anfänglichem Misstrauen doch wieder an uns erinnern kann und völlig aus dem Häuschen ist. Bei Bier und Nachos erzählen wir uns, was die letzten Wochen und Monate alles so geschehen ist. Eigentlich sollte Melvan am Ostermontag bereit für eine erste Testfahrt sein, doch unser Mechaniker verschiebt das Datum täglich. Mittlerweile haben wir schon so etwas wie eine Alltagsroutine entwickelt. Jedem Morgen stehen wir auf, gehen ins Café gegenüber und laufen danach für 1–2 Stunden durch den Park oder durch den Wald. Am Nachmittag arbeiten wir an unseren Laptops. Unsere Wohnung ist modern, geräumig und liegt in einem guten Viertel, dennoch gehen wir selten auswärts Essen. Uns ist einfach nicht nach feiern zumute.

Dann endlich die Nachricht, auf die wir gewartet haben. Melvan ist bereit! Wir halten unsere Erwartungen tief, um nicht enttäuscht zu werden, sollte doch noch nicht alles reibungslos funktionieren. Als wir aber die erste Proberunde mit unserem Mechaniker drehen, läuft tatsächlich alles wie am Schnürchen. Dennoch ist Vorsicht geboten. Viele Teile sind neu und der Motor muss sich erst noch einspielen. Unser erstes Ziel ist deshalb auch nicht weit von Quito.

Am nördlichen Ende von Quito befindet sich die Mitte der Welt. Kein Witz. Dort steht ein Monument, das an dem Ort erbaut wurde, wo eine französische Expedition 1736 den Äquator ermittelte. In Zeiten von GPS hat sich allerdings herausgestellt, dass sich der wahre Äquator etwa 240 m nördlich des Monuments befindet. Alle Besucher, welche sich täglich breitbeinig über die gelbe Linie beim Monument hinstellen, um auf beiden Hälften der Erde zu stehen, stehen also in Wirklichkeit einfach nur breitbeinig auf der Südhalbkugel. Trotzdem ist die Anlage einen Besuch wert. Im 30 Meter hohen Monolithen laufen wir über Treppen durch ein Museum, das mehr über die Geschichte verrät und oben können wir auf der Aussichtsplattform über die umliegenden Berge blicken. Am späteren Nachmittag wechseln wir auf den Parkplatz eines Parks ganz in der Nähe und richten uns für die Nacht ein. Trotz des wenig glamourösen Übernachtungsplatz fühlen wir uns gleich auf Anhieb wohl. Viel wohler, als es uns im Airbnb die letzten Tage war.

Zurück bei Ivan stellen wir einige Kleinigkeiten ein und fahren danach weiter zum Cotopaxi, dem zweithöchsten Vulkan Ecuadors. Unsere Route wird dabei von der Topografie diktiert. Wir sollten die nächsten 1000 Kilometer steile Anstiege vermeiden. Nur doof, dass dieses Land praktisch nur aus steilen Anstiegen besteht. Es gibt genau einen Korridor, der südlich verläuft und lange genug ist, um ein wenig Strecke zu machen. Am Fuss des Cotopaxi kehren wir auf dem Parkplatz einen Hostels ein. Leider spielt das Wetter gar nicht mit uns, so entscheiden wir uns, den Ausflug zum Berg auf den nächsten Tag zu verschieben. Als das Wetter dann allerdings immer noch schlecht ist und wir keine Chance sehen, den Berg überhaupt zu Gesicht zu bekommen, fahren wir weiter. Schliesslich geht es die nächsten Tage vor allem darum, Strecke zu machen. Also weiter nach Baños. Hier scheint die Sonne als wir ankommen und so gönnen wir uns auf einer Rooftop Bar ein paar Drinks, bevor wir den Abend in einer Pizzeria begleitet von erstaunlich talentierten Strassenmusikern ausklingen lassen.

Um Melvan nicht zu überbeanspruchen, nehmen wir am nächsten Tag den Bus zu unserem Ausflugsziel. Der Cascada el Pailon del Diabolo ist ein Wasserfall, den man über die innen Fels eingearbeiteten Treppen zu Fuss erkunden kann. Als wir von der Busstation Richtung Wasserfall laufen, sehen wir schon von weitem das riesige Campermobil von Jeff & Kathy am Rande des Fussbalplatzes stehen. Wir klopfen an der Tür und werden sogleich zu einer frischen Tasse Kaffee eingeladen. Nachdem wir den Kaffee getrunken und über unsere Reiseroute der letzten Monate ausgetauscht haben, gehen wir weiter zum Wasserfall. Der Weg geht steil ins Tal hinunter, bevor er dem Fels entlang in die Schlucht führt. Das herunterfallende Wasser dröhnt immer lauter, so näher wir kommen. Wir zwängen uns durch die Gänge. Stellenweise müssen wir den Rucksack vor uns herschieben und hinterher kriechen. Beim Wasserfall selbst bleiben wir nur kurz. Es ist, als würde man im Regen stehen, obwohl wir noch gute 10 Meter davon entfernt sind.

Da uns weiter südlich ein Erdrutsch den Weg versperrt, kehren wir um und fahren erneut Richtung Cotopaxi. Vielleicht haben wir ja heute ein wenig mehr Glück mit dem Wetter. Doch als wir ankommen, erneut Nebelsuppe. Dieses Mal haben wir uns ein wenig weiter hoch bis zum Eingang des Nationalparks gewagt. Dort stehen wir nun also auf dem Parkplatz des Visitor Centers und wissen nicht, was wir mit dem restlichen Nachmittag anfangen sollen. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag.

Wir schieben den Vorhang nur wenig zur Seite, mehr braucht es nicht. Immer noch grau. Von Cotopaxi sehen wir nur den Fuss. Wir wälzen uns noch einige Male im Bett und raffen uns dann doch noch auf. In Wandermontur laufen wir vom Parkplatz die paar Meter zum Eingang, um einen Ranger zu fragen, ob er uns eine Wanderung empfehlen kann, die wir von hier aus machen können. Tatsächlich gibt es keine. Alle Wanderwege befinden sich 10 Kilometer weiter im Inneren des Nationalparks. Doch damit nicht genug, der Transport dorthin kostet $30 pro Person! Wir bedanken uns für die Information und verbringen den Rest des Tages auf dem Parkplatz. Nicht das, was wir uns vorgestellt haben, aber immerhin ist es trocken und warm im Auto und wir nutzen die Zeit Melvan gründlich auszuräumen und zu putzen.

Wieder in Quito! Eigentlich geht uns die Stadt langsam echt auf die Nerven, aber wir sind mit unserem Mechaniker für den ersten Ölwechsel und zum Justieren des Drehmoments verabredet, nachdem wir die letzten Tage exakt 1000 Kilometer zurückgelegt haben. Wir sind angespannt, doch schon bald gibt uns Ivan den Daumen hoch. Alles in Ordnung. Da wir schonmal hier sind, organisieren wir gleich noch einige Ölfilter, Scheibenwischer und andere Kleinteile auf Reserve. Auf unserer Reise haben wir gelernt, solche Gelegenheiten beim Schopf zu packen, wenn sie sich bieten.

Nachdem wir von unserem Mechaniker grünes Licht bekommen haben, geht es nun endlich an die lang ersehnte Küste. Zwar hatten wir zahlreiche schöne Erlebnisse im Hochland, aber von den kalten Temperaturen haben wir die Nase gestrichen voll. Von Quito fahren wir erst noch einige Höhenmeter aufwärts, dann geht es für 300 Kilometer nur noch bergab. Wir wollen es langsam angehen und legen deshalb ein Zwischenstopp in Mindo ein, das auf halber Strecke liegt. Die Temperaturen sind schon richtig tropisch und unser Campingplatz ein regelrechter Urwald. Während die Sonne langsam untergeht, drehen wir zu Fuss noch eine kurze Runde durch den einige Hektare grossen Garten, beobachten Kolibris, die sich am Wasserspender stärken und tauschen später die Daunendecke gegen ein Leintuch, bevor wir uns erschöpft schlafen legen.

Nach einem Kaffee geht es los, immer weiter Richtung Küste. Über eine Stunde fahren wir durch Kakaoplantagen, so weit das Auge reicht. Noch so gerne hätten wir einen Halt gemacht und uns eine Tafel Schokolade oder eine andere süsse Köstlichkeit für unterwegs gekauft, aber kein Laden weit und breit. Scheinbar geht es hier nur um die Produktion im grossen Stil und so geht es ungebremst weiter. Wir sind auf dem Highway und können das Meer schon fast riechen, da werden wir von einer Polizeistreife angewiesen, rechts ran zu fahren. Gespannt auf den Grund, sitzen wir da und schauen dem Beamten zu, wie er sich langsam und breitbeinig unserem Auto nähert. Normalerweise kommen wir mit Höflichkeit und einem Lächeln in solchen Situationen schon ziemlich weit, doch die Miene dieses Polizisten bleibt unverändert ernst. Als er die Daten unserer Fahrzeugpapiere an die Zentrale durchgibt, dreht er langsam eine Runde um unser Auto und beäugt jeden Winkel. Uns wird klar, dass er auf der Suche nach einer Gelegenheit ist, uns eins auszuwischen. Dann fordert er mich auf, auszusteigen. Wir gehen gemeinsam ums Fahrzeug und er deutet auf die Reifen. Zu wenig Profil. Ich muss lachen, haben wir doch in Ecuador schon Autos gesehen, die nur noch von Klebeband zusammengehalten werden. Ich gebe ihm zu verstehen, dass wir eine Profiltiefe von 1.6 Millimetern haben, was ich zufälligerweise vor einigen Tagen selbst nachgemessen habe. Ich kenne die örtlichen Vorschriften zwar nicht, denke aber, dass diese ausreichen sollte. Er ist anderer Meinung, würde aber für $20 die Sache auf sich beruhen lassen. Daher weht der Wind. Ich lehne ab und fordere ihr gerade auf, mir die Busse für abgefahrenen Reifen auszustellen, da kommt ein weiteres Polizeiauto angefahren. Mit diesen spreche ich nun übers surfen, bevor sich die Polizisten untereinander unterhalten wollen. Zwei Minuten später lässt uns der sichtlich geknickte Polizist ohne Schmiergeld ziehen. Noch etwas Baff von unserer ersten Begegnung mit einem korrupten Polizisten auf unserer bisherigen Reise.

Beim Café Montuno machen wir einen kurzen Zwischenstopp, um Melvans Motor und unsere Köpfe ein wenig abzukühlen. Nach einem absolut köstlichen Eiskaffee und hausgemachten Schokoladenkeksen fahren wir dann die letzten Kilometer weiter nach Canoa und treffen doch tatsächlich gleichzeitig mit Robyn und Rafiq bei unserem Übernachtungsplatz ein. Ganz zufällig ist das nicht. Wir sind verabredet, weil wir die nächsten zwei Wochen wieder auf Daku aufpassen werden, während die beiden auf die Galapagos Inseln fliegen. Die Hotelanlage, auf deren Parkplatz wir übernachten dürfen, hat alles, was das Camper-Herz begehrt. Restaurant, Bar, saubere Waschräume und sogar ein Pool mit Sitzgelegenheiten über das ganze Gelände verstreut. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Nachdem wir uns eingerichtet haben, machen wir einen ausgedehnten Strandspaziergang und sind pünktlich zur Happy Hour zurück an der Bar, wo wir uns Margaritas schlürfend den Sonnenuntergang anschauen.

So vergeht ein Tag nach dem anderen. Robyn und Rafiq sind mittlerweile abgereist und mit Daku wird es nun noch ein wenig enger in unserem Van. Die Spaziergänge legen wir auf die frühen Morgen- und späten Abendstunden, da es durch den Tag entschieden zu heiss ist, was auch der Hündin recht zu sein scheint. Zwischendurch vertreiben wir uns die Zeit mit Surfen, Kartenspielen, Arbeiten für Freiluft Büro oder zeichnen und hören dabei Podcasts. Es ist nicht viel und doch alles, von dem wir die letzten Tage im kalten Quito geträumt haben.

Doch irgendwann wird man auch bequem im Paradies. Wir entscheiden weiterzufahren. In Puerto Cayo finden wir einen Campingplatz, der von einem Schweizer Auswanderer geführt wird. Samuel lebt schon seit einigen Jahrzehnten hier und beherbergt Camper auf seinem Grundstück. Wir werden herzlich in Empfang genommen und nachdem wir sichergestellt haben, dass seine Hunde sich mit Daku verstehen, richten wir uns ein. Der 74-jährige Samuel steht währenddessen neben uns und erzählt uns seine Lebensgeschichte. Er scheint glücklich zu sein und dennoch werden wir das Gefühl nicht los, dass er einsam ist. Später gehen wir deshalb zusammen mit den Hunden am Strand spazieren und nach dem Abendessen und einer kalten Dusche wird es für uns auch schon langsam Zeit ins Bett zu gehen.

Nachdem wir das obligatorische Foto für seine Besucherwand geschossen und unsere Kontaktdaten ausgetauscht haben, verabschieden wir uns nach zwei Nächten von Samuel und fahren weiter nach Ayampe. Dort angekommen, werden wir von einem schroffen Mitarbeiter des Hostels, auf dessen Parkplatz wir übernachten dürfen, eingewiesen. Unmissverständlich macht er uns darauf aufmerksam, dass Hunde nicht in der Küche oder im Aufenthaltsraum erlaubt sind, Daku an der Leine gehalten werden muss und wir hinausfliegen, sollte sie bellen oder sonstigen Lärm verursachen. Wäre das Gelände nicht so schön, hätten wir uns nach dieser Standpauke wohl gleich wieder verabschiedet. Als wir uns wenig später den Sonnenuntergang mit Daku am Strand ansehen, ist aber sämtliche Negativität verflogen. Mit einem Bier sitzen wir auf einem angeschwemmten Baumstamm und schauen zu, wie der Tag sich langsam dem Ende zuneigt, während Daku vergnügt an Stöckchen nachjagt.

Vor allem die relaxte Atmosphäre gefällt uns an Ayampe. Das Dorf scheint viele Auswanderer aus Amerika und Europa angezogen zu haben. Entsprechend viele Restaurants, Bars und Shops gibt es. Die Nächte sind ruhig und es liegt praktisch kein Müll am Strand oder auf den Strassen. Nur die Wellen sind uns viel zu gross um zu surfen, dafür unternehmen wir täglich ausgedehnte Spaziergänge am Strand und nutzen die übrige Zeit, um Freiluft Büro voranzutreiben und mit unserem Blog wieder etwas aufzuholen. Wir können kaum glauben, dass schon zwei Wochen vergangen sind, als Robyn und Rafiq mit ihrem Besuch aus Kanada plötzlich dastehen.

Wir vermissen Daku, aber es ist auch schön, wieder etwas mehr Platz im Van zu haben. Nach zwei gemeinsamen Nachtessen haben wir uns dazu durchgerungen, uns zu verabschieden und sind auf dem Weg Richtung Grenze, haben aber vorher noch einige Zwischenstopps eingeplant. Als Erstes steht waschen auf dem Programm. In Ayampe hat die einzige Wäscherei im Dorf einen stolzen Preis von $1.75 pro Pfund verlangt. Zu viel in unseren Augen und so haben wir das Nötigste von Hand gewaschen. Nun quillt unser Wäschebeutel aber langsam über. In Montanita geben wir stolze 20 Kilogramm ab und gehen danach am Strand spazieren. In einer Bretterbude am Strassenrand essen wir überraschend gut zu Mittag, danach gehen wir Einkaufen und beenden den Tag mit einem Eis am Strand.

Und wieder werden wir von der Polizei angehalten, als wir auf dem Weg nach Guayaquil sind. Es ist eine grosse Kontrolle, mit dutzenden Polizisten. Normalerweise zeigen wir an solchen Posten unsere Papiere und sind kurz darauf wieder unterwegs, doch dieser Polizist hat das grosse Geld mit uns gewittert. Wieder sind es unsere Reifen. Wir sagen ihm, dass wir unterwegs zu einer Garage in der Stadt sind, um sie auszutauschen, was gelogen ist, aber wir können ihm den Chatverlauf mit einer Garage zeigen. Es interessiert ihn nicht. Wir betteln, was unser Spanisch hergibt, doch er bleibt hart. Die Busse scheint er uns aber auch nicht ausstellen zu wollen, und so zeige ich ihm nach zehn Minuten hin und her nochmal unsere Fahrzeugpapiere, in denen sich nun auf wundersame weise ein $20 Schein befindet und schon lässt er uns ziehen. So mussten wir doch noch einen Polizisten bestechen. Stolz darauf sind wir nicht, zumal die Korruption von Staatsangestellten ein grosses Problem in Lateinamerika darstellt, aber einen anderen Ausweg hätten wir aus dieser Situation so schnell wohl nicht gefunden. Weiter also nach Guayaquil. Unterwegs werden wir tatsächlich nochmal von der Polizei angehalten, diesmal reichen aber unsere Papiere aus. Als wir beim Mechaniker ankommen, ist es schon Mittag und auf den Strassen ist es glühend heiss. Wir sind für einen Ölwechsel verabredet und um das Timing des Motors einzustellen. Dies ist noch auf die Höhe von Quito gerichtet, da wir nun aber lange auf Meereshöhe reisen werden, ist es sinnvoll, das zu korrigieren. Nachdem wir uns vergewissert haben, dass der Motor rund läuft und das abgelassene Öl frei von Rückständen ist, sind wir auch schon wieder unterwegs.

In letzter Zeit ist es in Guayaquil immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen kriminellen Organisationen und der Regierung gekommen. Nur wenige Tage bevor wir da waren, wurde ein Anschlag auf den Bürgermeister verübt. Wir haben uns deshalb entschlossen, genügend Distanz zwischen uns und diese ohnehin nicht sehr schöne Stadt zu bringen. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir im kleinen Fischerdörfchen Puerto Jelí an. Da wir morgen frisch geduscht und ausgeruht über die Grenze wollen, haben wir uns ausnahmsweise ein Hotelzimmer genommen. Die Unterkunft ist etwas heruntergekommen, aber preiswert und hat ein Parkplatz im Innenhof, auf dem wir Melvan sorglos über die Nacht stehen lassen können. Nach einer kalten Dusche gehen wir an den Pier. Nicht nur unser Hotel, das ganze Dorf scheint so, als hätte es schon bessere Tage gesehen. Wir halten unseren Spaziergang kurz, bestellen uns eine gigantische Portion Shrimps und sprechen die kommenden Tage nochmal durch.

Das gestrige Gespräch hat unsere Pläne komplett auf den Kopf gestellt. Das Problem: Wenn wir heute schon in Peru einreisen, limitiert uns das 3 Monate gültige Visum gegen Ende, zumal wir im Juli von Lima aus für einen Monat in die Schweiz zurückfliegen. Blöd nur, dass 90 % aller Sehenswürdigkeiten südlich von Lima und somit in der zweiten Halbzeit unseres Visums liegen. Die Lösung liegt in einem Naturreservat ganz in der Nähe, indem wir campen dürfen. Nachdem wir uns bei den Park-Rangern angemeldet haben und auf dem Gelände herumgeführt wurden, richten wir uns häuslich ein. Wir könnten uns keinen besseren Platz wünschen, um abzuwarten, bis unser Visum in Ecuador abläuft. Nur drei Kilometer von der Hauptstrasse entfernt und dennoch mitten in der Natur. Melvan ist im Schatten eines Baumes parkiert, Strom können wir vom Gebäude nebenan beziehen und sogar ins WLAN dürfen wir uns einloggen.

Wir können es kaum glauben, wie schnell die letzten Tage vorbeigegangen sind. Eine kurze Wanderung haben wir unternommen, wurden aber regelrecht aufgefressen von den 1000 Mücken, die uns ständig nachgeflogen sind. Danach hat sich unser Radius auf einige Meter in und um Melvan beschränkt, was nicht weiter schlimm war, denn so hatten wir genügend Zeit für unseren, vor Grenzen schon fast Tradition gewordenen Frühlingsputz. Auch digital wurde in Form von Blogbeiträgen und Freiluft Büro fleissig aufgeräumt und nachgeholt und sogar ein Brot haben wir nach langer Zeit wieder mal selbst gebacken. Es ist ein gutes Gefühl, ganz ohne Altlasten in ein neues Land einzureisen. Wie schon so oft auf dieser Reise lassen wir auf der kurzen Fahrt zur Grenze unsere Gedanken und Eindrücke der letzten Monate nochmal Revue passieren und dann sehen wir sie auch schon, die rot-weiss-rote Flagge. Peru, wir kommen!


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