Der 49. Bundesstaat der USA verwöhnt uns mit seinen unendlichen Berglandschaften, jede menge Gletschern und einer märchenhaften Küstenlandschaft.
Wer sich noch an unseren letzten Blogeintrag erinnert, weiss, dass uns das Glück die letzten Tage im Stich gelassen hat. Melvan bleibt auf dem Parkplatz des Visitor Centers von Delta Jct. stehen und uns gelingt es wieder erst nach zahlreichen Versuchen den alten Karren in Gang zu bringen. Mit einem unguten Gefühl machen wir uns auf dem Weg nach Fairbanks, in der Hoffnung, dort einen Mechaniker zu finden, der sich mit älteren europäischen Autos auskennt. Einen kleinen Stimmungsaufheller bringt der Weg dort hin dann aber doch. Wir fahren am Nordpol vorbei. Du glaubst uns nicht? Hier das Beweisfoto!
Da wir uns momentan nicht trauen unser Auto abzuschalten, begnügen wir uns damit eine Rundfahrt durch das lustig benannte Städtchen zu machen. Überall hängen Girlanden, die Strassenlaternen sehen aus wie Zuckerstangen und überall hängt festliche Beleuchtung. Weihnachten im Sommer, yeah!
In Fairbanks angekommen machen wir auch gleich bei einem Automechaniker halt, der sich auf europäische Autos spezialisiert hat. Dieser checkt unseren Melvan gründlich durch und kommt zum Schluss, dass das Starterkabel / Kabelbaum hinüber sei. Da er dieses leider nicht an Lager hat und es somit erst noch bestellen muss, sind wir wohl oder übel dazu gezwungen das Wochenende in Fairbanks zu verbringen. Wir suchen uns also den günstigsten Campingplatz in der Nähe, stellen den Van dort ab und erkunden die Stadt zu Fuss. Nach ein paar Stunden dann von uns beiden das Fazit:
Architektur: null Punkte;
Sehenswürdigkeiten: keine;
Unterhaltung: nein;
Kulinarisch: der McDonalds war ganz schön, ansonsten, nö.
So kehren wir nach einem halben Tag wieder zu unserem Campingplatz zurück, an dem tagsüber irgendwelche Drogendealer herumlungern und nachts eine Party nach der anderen gefeiert wird. Als dann endlich Dienstag ist (die Lieferung des Ersatzteils hatte einen Tag Verspätung) sind wir heilfroh diesen schauderhaften Ort endlich verlassen zu können und kehren nach getaner Arbeit in der Werkstatt Fairbanks den Rücken. Wie sich herausstellte, leider nicht für lange. Denn nach wenigen Kilometern machen wir Halt beim, durch den Film „Intothe Wild“ bekannt gewordenen Bus, der auf dem Gelände einer örtlichen Brauerei steht. Nach dutzenden Versuchen, das Auto zu starten, kehren wir frustriert in der Brauerei ein, trinken ein ziemlich gutes Bier und fragen beim Manager nach, ob wir ausnahmsweise auf dessen Parkplatz übernachten dürfen, damit wir am nächsten Tag den Abschleppdienst rufen und zurück nach Fairbanks können, was er uns netterweise gestattet.
Am Morgen danach warten wir beide ziemlich schlecht gelaunt auf den Abschleppdienst, der dann aber nach 10 Minuten auch schon eintrifft. Aus dem Auto steigt ein Mann, den man ohne weiteres in „Herr der Ringe“ als Zwergen hätte mitspielen lassen können. Er stellt sich uns mit einem breiten Lächeln als AP vor und auf dem Weg nach Fairbanks sollten wir noch seine gesamte Lebensgeschichte erzählt bekommen, die aber keineswegs uninteressant war. Vietnamveteran, Kriegsfotograf, danach Wildhüter für die Universität von Fairbanks und zu guter Letzt in die Selbständigkeit gewechselt mit dem einzigen Abschleppdienst zwischen Fairbanks und Anchorage. Ein echt cooler Typ der uns in Erinnerung bleiben wird.
Die Einzelheiten des weiteren Vorgehens mit der Autowerkstatt möchten wir euch ersparen, nur soviel sei gesagt: Nach unendlich scheinenden Stunden im Aufenthaltsraum kennen wir nun praktisch alle Angestellten beim Namen, was kein Wunder ist, denn endgültig auf den Weg machen wir uns erst wieder am Donnerstag, also fast eine Woche später! Da unsere Skepsis langsam ihren Höhepunkt erreicht hat, beschliessen wir, nicht alt zu weit entfernt von Fairbanks zu übernachten, sollten wir erneut abgeschleppt werden müssen. Wir kehren also im verschlafenen Dörfchen Anderson auf einem weitläufigen Campingplatz ein. Dort angekommen schlendern wir ein bisschen übers Gelände und kommen mit einem Herrn mittleren alters ins Gespräch. Er erzählt uns vom Musikfestival, dass dieses Wochenende hier stattfindet und dass er Schweizer kennt, die vor ein paar Jahren die Panamericana gemacht haben.
Ein Luzerner Paar mit einem Toyota Landcruiser. Auch wenn es ein Schuss ins Dunkle ist, frage ich (Mattia) ihn nach den Namen der beiden Bekannten und tatsächlich nennt er Petra und Padi, meine Tante und Onkel! Amüsiert darüber, wie klein die Welt doch ist, unterhalten wir uns noch eine ganze Weile und wir beschliessen wenigstens noch eine weitere Nacht zu bleiben, um uns noch ein paar Bands am Musikfestival anzuhören.
Dieser Plan wird am Samstagmorgen dann leider von einer äusserst ruppigen Security Frau gestört, die uns pro Person 40.- Dollar abknöpfen will, was uns dann für die paar Lokalbands, die wir am Freitagabend gesehen haben, dann doch ein bisschen übertrieben vorkommt und so machen wir zwei Zechpreller uns aus dem Staub, Richtung Denali Nationalpark.
Der Denali Nationalpark ist, anders als die Parks in denen wir bisher waren, nur mit einem Shuttlebus erreichbar. Dies wurde vor einigen Jahren entschieden um die Besucherzahl und somit den Verkehr in Schach zu halten und somit die Natur und Wildtiere zu schonen. Die Begründung leuchtet uns ein, dennoch sind wir wegen des relativ hohen Preises von 59.- Dollar pro Person (was für unser Reisebudget ziemlich viel ist) hin- und hergerissen, ob wir den Tagesausflug buchen sollen. Am Abend lernen wir auf dem Campingplatz zwei Schweizerinnen kennen, die uns den Trip empfehlen, sodass wir uns die Tickets buchen und den Tag darauf um 04.00 Uhr losfahren! Wieso so früh? Die Fahrzeit in- und wieder aus dem Denali Nationalpark beträgt 11 Stunden, wer da noch eine kleine Wanderung unternehmen will, tut gut daran früh aufzustehen. Unterwegs treffen wir auf Karibus, Grizzlys, Elche und Bergziegen, was uns am meisten fasziniert ist aber, trotz bewölktem Wetter, die Landschaft und die Einsamkeit, denn während der gesamten Fahrt ist kein Dorf weit und breit zu sehen, nur pure Natur! Nach fast sechs Stunden Fahrt steigen wir aus dem umfunktionierten Schulbus aus, froh darüber uns die Beine vertreten zu können und unternehmen eine zweistündige Wanderung, bevor wir dann wieder den Rückweg antreten. Völlig fertig von der langen Fahrt und den vielen Eindrücken kehren wir am Abend wieder auf den Campingplatz zurück und gehen so früh zu Bett wie die ganze Reise zuvor noch nicht.
Nun geht es nach langem wieder mal an die Küste, genauer gesagt nach Whittier, einer kleinen Hafenstadt die über Land nur durch einen Tunnel erreichbar ist. Nachdem wir am Hafen entlang geschlendert sind, gehen wir, auf Empfehlung einer netten Dame im Visitor Center, noch zu einem Fluss in der Nähe, indem es momentan Lachse haben soll. Was wir dort antreffen, hätten wir uns jedoch nicht träumen können. Ein massives Gedränge von Fischen sucht sich den Weg stromaufwärts zu ihren Laichplätzen. Tatsächlich sind es so viele, dass einige Kinder, die am Ufer mit ihren Eltern ein Picknick veranstalten, die Fische einfach am Schwanz hinausziehen, danach aber netterweise auch wieder ins Wasser entlassen. Fasziniert von der Vielzahl und dem Fakt, dass die Fische teilweise hunderte Kilometer wandern, um dann an ihren Geburtsort zurückzukehren, zu laichen und danach zu verenden (die Fische beginnen schon bei lebendigem Leibe zu verwesen, sobald sie ins Süsswasser kommen, wie man auf dem Foto unten auch gut sehen kann) schauen wir der Wanderung über mehrere Stunden zu, bis wir dann wieder den Weg durch den Tunnel und somit weg von Whittier antreten.
Vom Meer geht es dann wieder steil hinauf in die Berge, genauer gesagt zum Exit Glacier. Wir entdecken unweit vom Gletscher einen Pfad, der uns auf ein ausgetrocknetes Flussbett führt und auf dem wir dann auch die Nacht verbringen. Am folgenden Tag unternehmen wir noch eine Wanderung an den Fuss des Gletschers. Leider windet es so fest, dass wir ständig in Bewegung bleiben müssen, damit uns die Gliedmassen nicht einfrieren, und so machen wir uns nach einigen Fotos wieder auf den Rückweg.
Nun ab an die wärmere Küstenregion! Wir fahren nach Homer, ein weiteres Fischerdorf an der Atlantikküste. Dort angekommen fällt uns als Erstes die lange, ins Meer hinausgezogene Sandbank auf. Auf dem ca. 100 Meter breiten Streifen führt eine Strasse bis ans Ende, wo wir parken, um ein wenig am Strand spazieren zu gehen. Danach geht es wieder auf Übernachtungsplatzsuche. Die Campingplätze am Strand sind uns zu teuer und so steuern wir auf eine Farm etwas ausserhalb der Stadt zu. Dort angekommen fallen uns vor Staunen fast die Augen raus. Ein wunderschönes Stück Land, naturbelassen und mit Blick auf die Meerenge und den gegenüberliegenden Gletscher erwartet uns.
Leider finden wir die Besitzer nicht, um uns anzumelden und so schlendern wir auf der Suche den Weg zum Privatstrand der Farm! Wieder oben angekommen, treffen wir zum Glück noch auf die quirlige Besitzerin, die etwas in eile ist, weil sie ein Konzert besuchen möchte. Als sie dann aber unser Auto sieht, lächelt sie über beide Ohren, sie hätten auch einen „Westy“ und nachdem sie dann noch erfährt, dass wir Schweizer sind, hält sie trotz Eile noch einen kurzen Schwatz auf Schweizerdeutsch mit uns, denn ihre Vorfahren seien Schweizer, wären dann aber ausgewandert und haben das Land, auf dem wir stehen, gekauft. Mit so viel Schönheit und Offenherzigkeit empfangen, möchten wir gerne noch ein wenig bleiben uns so werden aus einer dann plötzlich drei Nächte. Eine fantastische Zeit! Im Allgemeinen sind wir der Küstenregion von Alaska verfallen. Die Halbinsel Kenai hat einiges an Naturspektakeln zu bieten und das Wetter spielt seit unserer Ankunft mit angenehmen 25 Grad und Sonnenschein mit. Dementsprechend sind wir, mal im dichten Wald, mal am Sandstrand, viel zu Fuss unterwegs.
Es ist nun schon Mitte August und die Temperaturen noch angenehm, wir wissen aber auch, dass uns der Herbst dicht im Nacken sitzt. Wir müssen langsam wieder Richtung Süden. Unterwegs nach Anchorage gabeln wir noch unseren ersten Hitchhiker auf. Nathanial, ein aufgeweckter Bursche aus Massachusetts der für eine Ausbildung als Navy-Sanitäter in Alaska war, erzählt uns allerhand über seine geliebte Heimat und selbst uns bleibt nicht lange verborgen, dass er aus einer eher ländlichen Gegend stammen muss. Zum Abschied lozt er uns noch an eine Tankstelle und füllt uns für 20 Dollar Benzin nach (in Massachusetts gehöre sich das so) und macht sich danach mit einem „howdy, folks“ aus dem Staub.
Weiter Richtung Süden also, ganz vom Meer ablassen können wir aber noch nicht und so bauen wir noch einen kleinen Abstecher von 140 km nach Valdez ein. Die Strasse führt uns über ein wunderschönes Hochplateau vorbei an einer Vielzahl von Gletschern und Bergen, bevor wir dann an der Küste in dicken Nebel eingehüllt werden, der sich zum Glück nach einigen Stunden wieder verzieht. Wir übernachten an einem Gletschersee voller Eis der direkt oberhalb des Dörfchens liegt. Alaska scheint sich uns nochmals von seiner schönsten und klischeehaftesten Seite zeigen zu wollen. Auch auf der Wanderung am nächsten Tag spielt das Wetter wieder so gut mit, dass wir uns sogar einen kurzen Schwumm in einem Eiskalten aber kristallklarem Nebenbecken nicht entgehen lassen wollen.
So, jetzt aber wirklich weg von hier und ab nach Süden! Die Nächte werden langsam wieder länger und merklich kühler. So kühl, dass uns im Wrangell - St. Elias National Park, einem zauberhaften Fleckchen Erde indem die Schweiz mehrmals Platz finden würde, die ersten Schneeflocken auf die wollmützenbedeckten Köpfe rieseln. Wir müssen weiter. Um wieder nach Kanada einzureisen, stehen uns zwei Optionen offen. Erste führt uns über den Alaska Highway und somit den Weg, welchen wir bereits Richtung Norden genommen haben. Die Zweite Option, ein Umweg, führt über den Klondike Highway vorbei an der Ortschaft Chicken, berühmt geworden wegen seines witzigen Namens und das letzte Dörfchen vor der kanadischen Grenze. Bis 20 Meter vor der Kreuzung wissen wir noch nicht, welchen Weg wir einschlagen wollen.
Ganz nach dem Motto Herz über Hirn entscheiden wir uns für den Klondike Highway, wobei der Name Highway ein wenig trügerisch ist, was wir nach wenigen Meilen merken, denn der Asphalt weicht einem Kies/Erde Gemisch, womit Schlaglöcher vorprogrammiert sind. Nicht dass wir uns solche sogenannten „Gravel Roads“ nicht schon gewohnt wären, eine so lange Strecke mit Grenzübergang hätten wir uns dann aber doch ein wenig anders vorgestellt.
Unterwegs legen wir in dem bereits erwähnten Dörfchen Chicken, dass aus einer Tankstelle, zwei Cafés und einigen Häuschen besteht, einen halt ein und schauen uns das Freilichtmuseum zum Thema Goldgräber an. Gepackt vom Goldrausch versuchen wir unser Glück an unserem Übernachtungsplatz einige Kilometer ausserhalb von Chicken. Bewaffnet mit einem Teller als Goldpfanne und einer Pinzette waschen wir den Sand am Flussufer bis uns die Finger einzufrieren drohen. Und tatsächlich, hin und wieder glitzert es gelb in unseren Tellern! Klar, das Sprichwort „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ mag auch hier seine Anwendung finden, für uns ist der Wert des kleinen Fläschchens aber kaum mit Gold aufzuwiegen, weil so viele Erinnerungen darin mitschwimmen, und die sind ja bekanntlich unbezahlbar.
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