Oaxaca wird nicht umsonst das Herz Mexikos genannt. Hier kommt alles zusammen. Von Wüstentälern über grüne Urwälder bis zur Pazifikküste befinden wir uns auf der unfreiwilligen Suche nach spiritueller Erleuchtung, der perfekten Welle und Imodium.
Die Tage in der brausenden Metropole Mexiko City waren aufregend, aber die Millionen von Reizen, die konstant auf uns einprasseln, können auf Dauer auch ganz schön anstrengend sein. So beschliessen wir von der einst grössten Stadt der Welt ins quasi Niemandsland zu fahren. Der Botanische-Garten Helia Bravo Hollis befindet sich inmitten einer zum Bio-Reservat erklärten Wüste. Wir sind ein wenig nervös, als wir unserem Ziel näherkommen, denn der Park hatte die letzten Jahre wegen COVID seine Tore geschlossen und die Informationen im Internet über seine Wiedereröffnung waren teils widersprüchlich. Wir atmen auf, als uns eine nette Rangerin in die Parkregeln einweist und uns das Areal zeigt, auf dem wir campen dürfen. Dort angekommen staunen wir nicht schlecht. Rund um uns nichts als riesige Kakteen, ansonsten keine Menschenseele. Wir wandern noch ein wenig im Park herum, ziehen uns aber wegen der Hitze schnell wieder unter unsere Markise zurück. Wir schauen zu, wie die Sonne langsam untergeht und den Sternen weicht. Die Kakteen um uns herum werfen lange Schatten im Mondschein und die Stille um uns ist beängstigend und beruhigend zugleich. So sitzen wir noch eine ganze weile da und saugen die Magie dieses wunderbaren Ortes in uns auf.
Mit geladenen Energiespeichern und voller Reiselust geht es am nächsten Tag weiter nach Oaxaca. Die Stadt gilt als kulturelles Zentrum Mexikos. Die farbigen Textilien mit den indigenen Stickereien, der weltberühmte Mescal und fast alle kulinarischen Klassiker von Mexiko stammen aus dieser Gegend. Leider finden wir keinen Campingplatz direkt in der Stadt und so steuern wir das nahegelegene El Tule an. Der El Rancho RV Park erweist sich als Overlander Oase. Eine fussballfeld-grosser Rasen gesäumt von schattenspendenden Bäumen, unter denen riesige Camping- und Expeditionsmobile parken, einige schon über Jahre, wie wir später erfahren. Wir bekommen von Cali, dem Abwart der Anlage und wohl mexikanisch aussehendsten Menschen auf dem Planeten (Cowboy Hut, Gummistiefel, Goldzahn und ca. 1.50 gross), unseren Platz zugewiesen und den Hinweis, dass wir die beiden Fahrräder im Schuppen, wann immer wir wollen, ausleihen können. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und so radeln wir kurze Zeit später in das beschauliche Dörfchen um uns den dicksten Baum der Welt (Durchmesser: 14,05 Metern) anzuschauen. Die Sumpfzypresse hat einen Umfang von sagenhaften 41,85 Metern und steht inmitten des Dorfplatzes.
Der RV Park ist zwar alles andere als das Natur-Abenteuer, auf das wir es eigentlich abgesehen haben, jedoch haben wir schon länger einige Projekte vor uns hingeschoben, die wir hier gut erledigen könnten. Denn wie sich herausstellt sind wir umgeben von studierten Ingenieuren, jeder zweite Camper hat eine komplett ausgestattete Werkstatt und was wir nicht lokal in Oaxaca an Material besorgen können, lässt sich bequem von Amazon und Co. zum Campingplatz liefern. Bis wir alle Teile zusammen haben vertreiben wir uns die Zeit mit der Besichtigung von Monte Alban, unserer zweiten Ruine, die uns ganz nebenbei bemerkt viel besser gefällt, als das überlaufene Teotihuacán und in Oaxaca selbst verbringen wir auch einige Tage, schlendern durch die Strassen und bestaunen das kunstvolle Handwerk, dass uns von den Händlern angepriesen wird.
Mit neuer Dachbox, Solarpanel und komplett revidiertem Trinkwassersystem geht es weiter. Genug Komfort und Städte, wir wollen wieder an die Küste! Der Weg an den Pazifischen Ozean ist jedoch kurvig und steil. Wir teilen die Strecke auf zwei Tage auf und machen halt in San Jose del Pacifico. Der Ort liegt auf 2300 M.ü.M, ringsum nichts als hügelige Wälder soweit das Auge reicht. Diese sind Brutkasten für das, weshalb es die allermeisten Touristen hierherzieht. Magic Mushrooms. Gerüchten zufolge sollen bereits John Lennon und Bob Dylan hier die psychedelischen Pilze zu sich genommen haben. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Nein Mama, wir haben keine Drogen genommen.
Das Dorf, wenn man die paar Hütten entlang der Hauptstrasse überhaupt so nennen kann, ist ziemlich heruntergekommen und komplett kommerzialisiert. An jeder Ecke werden einem Trips in Schwitzhütten verkauft und einen halben Meter donnern die LKWs an einem vorbei. Nein Danke. Ein wenig enttäuscht suchen wir uns ein Plätzchen am Rand des Dorfes und legen uns früh schlafen, denn auch morgen wird es wieder eine lange Fahrt.
Sagenhaft steil geht es dann am nächsten Tag die 2’300 Höhenmeter an die Pazifikküste hinunter, doch wir haben dazugelernt und fahren, auch wenn es einen riesen lärm verursacht, fast die gesamte Strecke im ersten Gang, um die Bremsen so gut es geht zu entlasten. Wir fahren in Mazunte ein; noch nie hat sich Melvan optisch besser in einen Ort eingefügt. Es scheint als hätte der Summer of Love hier nie ein Ende gefunden. Wir bahnen uns einen Weg durch die Hippies und Esoteriker und finden eine Unterkunft direkt am Meer, wo wir uns im Garten breitmachen können. Der Strand ist wunderschön und von den Klippen aus kann man, wie wir von anderen Reisenden erfahren, die Sonne im Meer auf- und untergehen sehen. Uns gefällt die zwanglose Atmosphäre und wir bleiben noch einige Tage. Doch umso länger dass wir da sind, merken wir, dass vieles mehr schein als sein ist. In den Restaurants setzt man auf internationale Küche, um den Touristen das Geld aus den Taschen zu ziehen und die Holländerin, die sich das drittes Auge auf den Handrücken tätowieren lässt, ist stolze Besitzerin einer internationalen Fitnesscenter Kette, wie wir in aus unserer Hängematte mithören können. Geistige Erleuchtung zum Pauschalpreis.
Ein paar Buchten weiter finden wir das Paradies, dass wir so lange gesucht haben. Chacahua ist ein kleines Fischerdörfchen, indem der Tourismus zwar auch schon angekommen ist, den Massen scheint die einstündige Fahrt auf der Schotterpiste die dort hinführt, jedoch zu viel zu sein und so sind es vor allem Surfer, die sich hier hin verirren. Auch uns hat es primär wegen der guten Wellen nach Chacahua verschlagen. Wir verbringen die nächsten Tage fast mehr Zeit im Wasser als an Land und selbst bei Nacht lassen wir es uns trotz dem Wissen, dass sich Krokodile im Wasser rumtreiben, nicht nehmen auf der Biolumineszenz-Tour kurz schwimmen zu gehen.
Leider setzt eine Lebensmittelvergiftung der Idylle ein jähes Ende, denn auch wenn wir Chacahua immer noch als Paradies bezeichnen würden, sind die Hygienestandards bestenfalls fragwürdig. Ein letztes Mal auf die Toilette in der Hoffnung, dass es bis zu unserem nächsten Stopp hält und dann nichts wie los! Wir fahren nach Agua Blanca. In der Nähe vom Strand haben wir einen wunderschönen Campground gefunden, auf dem wir die nächsten Tage ausharren können. Leider fällt auch unser 10-jähriges Jubiläum ins Wasser. Mehr als in der Hängematte liegen, isotonische Getränke zu schlürfen und mit den Hundebabys zu spielen, die dem Besitzer vor einigen Tagen zugelaufen sind, ist nicht drin. Trotzdem sind wir froh, diesen Ort gefunden zu haben, denn wir lernen viele tollen neue Leute kennen und veranstalten, als es uns wieder bessergeht, jeden Abend gemeinsame BBQs und Lagerfeuer.
Als wir uns wieder fit genug fühlen, brechen wir unsere Zelte ab und fahren der Pazifikküste weiter entlang Richtung Süden. Auf der Suche nach guten Wellen klappern wir ein Strand nach dem anderen ab, leider ohne Erfolg. Entweder die Wellen sind viel zu gross oder bleiben ganz aus. Dennoch haben wir eine gute Zeit und die Strände meist für uns. Den letzten Tag an der mexikanischen Pazifikküste lassen wir dann auch mutterseelenalleine auf einer riesigen Düne ausklingen. Morgen geht es weiter nach Chiapas, dem „gefährlichsten“ aller Staaten. Es bleibt spannend.