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Kolumbien

In Südamerika beginnt ein neuer Abschnitt unserer Reise und wir könnten uns keinen besseren Einstieg als Kolumbien dafür wünschen.

Erst als wir im Hostel ankommen, merken wir so richtig, wie sehr die letzten Tage auf See an uns gezehrt haben. Wir checken ein, stellen uns unter die kalte Dusche und legen uns erstmal hin. Erst als die heissesten Stunden des Tages sich dem Ende zuneigen, wagen wir uns wieder auf die Strassen. Uns gefällt die Stadt auf Anhieb. Die vielen bunten Häuser, Strassenkünstler an jeder Ecke und eine Vielzahl von charmanten Kaffees und Restaurants. Um unsere Ankunft in der Zivilisation zu feiern, verschwindet Livia in einem Nagelstudio und während ich weiter die Stadt erkunde und währenddessen gnadenlos verirre. Ich hätte ja nach dem Weg gefragt, aber den Namen unseres Hostels habe ich schon längst wieder vergessen, mein Handy hat kein Akku mehr und zu alldem fängt es auch noch in Strömen an zu regnen. Wie ein begossener Pudel irre ich durch die Strassen Cartagenas und finde mehr durch Zufall gerade noch rechtzeitig zum Nagelstudio, dass Livia in diesem Moment verlässt.

Melvan hat inzwischen den Hafen von Panama verlassen, bis wir uns wiedersehen werden, wird es laut der Agentur aber noch mindestens eine Woche gehen. Wir rechnen mit zwei und um ehrlich zu sein geniessen wir die Wartezeit. Die Fussball Weltmeisterschaft wird gerade ausgetragen und so treffen wir uns praktisch täglich mit Leuten, die wir auf dem Segeltrip oder während des Verschiffungsprozesses in Panama kennengelernt haben und fiebern von einer Bar aus mit. Auch kulinarisch hat Cartagena einiges zu bieten und ist Gott sei Dank endlich wieder erschwinglicher als Costa Rica oder Panama es waren. Abends trifft man sich auf dem Plaza Trinidad für Streetfood und Bier, der nur wenige Gehminuten von unserem Hostel entfernt liegt.

Die Zeit vergeht wie im Flug und wir sind erstaunt, als wir die Nachricht von der Agentur bekommen, dass wir in 30 Minuten am Hafen sein sollen. Wir werden von einem Mitarbeiter eingewiesen, bekommen Helme aufgesetzt und warten dann erst mal zwei Stunden in der Cafeteria der Hafenarbeiter. Zum Glück wird auch hier die WM übertragen. Dann werden wir mit einem Minibus durch Schluchten von Containern gefahren, bis wir schliesslich abgesetzt werden. Der Container wird geöffnet, die Spanngurte, die Melvan während der Überfahrt in Position gehalten haben, gelöst. Ich klettere hinein, schliess die Batterie wieder an und fahre rückwärts aus dem Container. Weiter kommen wir heute nicht. Erst müssen die Einfuhrpapiere vom Zoll genehmigt und die obligatorische Versicherung abgeschlossen werden, was nochmals einige Tage dauern kann. Solange bleibt Melvan im Hafen. Die Türen dürfen wir nicht abschliessen und der Schlüssel muss für alle sichtbar auf dem Armaturenbrett hinterlegt werden, falls das Fahrzeug in einem Notfall verschoben werden muss. Wohl ist uns dabei nicht, aber was bleibt uns anderes übrig.

Ein Feiertag steht vor der Tür und wir erfahren, dass deshalb die Büros des Zolls von Donnerstag bis Montag geschlossen bleiben. Wir rechnen nicht damit, dass wir unsere Papiere bis dahin noch durchbekommen und stellen uns schon darauf ein, etwas länger in Cartagena zu bleiben, als plötzlich das Telefon klingelt. Unsere Agentur hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und dafür gesorgt, dass wir Melvan noch vorher herausholen können. Nach ein paar weiteren Stunden warten im Hafen ist es dann auch tatsächlich so weit. Um 22:30 Uhr verlassen wir den Hafen!

Etwas überrumpelt stellen wir Melvan erst mal auf einem Parkplatz in der Nähe unseres Hostels ab und verbringen den folgenden Tag damit, unsere genaue Route zu planen, Kleider zu waschen und unsere Lebensmittelvorräte aufzustocken. Dann geht es endlich los! Der Himmel ist strahlend blau und wolkenlos. Die leicht erhöhte Strasse auf der wir fahren, führt uns mitten durch ein Sumpfgebiet, dass sich bis zum Horizont erstreckt. Mit heruntergekurbelten Fenstern fahren wir praktisch alleine durch diese unwirkliche Landschaft. Es tut gut, wieder unterwegs zu sein.

Zu früh gefreut. Leider geht es Livia gar nicht gut, als wir in Mompox ankommen. Schlechtes Timing für eine Grippe, aber was soll man machen. Wir checken in ein Hotel ein und während Livia sich hinlegt, erkunde ich auf eigene Faust das Städtchen. Es scheint, als wäre der Fluss, der entlang der Stadtgrenze verläuft, erst gerade über die Ufer getreten. Überall werden Strassen geräumt und Teile des Parks sind nach wie vor geflutet. Für die Bewohner scheint es nichts Ungewöhnliches zu sein. Über die schlammigen Passagen wurden Holzbretter für die Fussgänger gelegt und wo möglich haben Bars und Restaurants ihre Tische wieder nach draussen gestellt. Ich setzte mich an einen und verbringe den Nachmittag damit, die Passanten beim Vorbeigehen zu beobachten.

Am nächsten Tag geht es Livia zum Glück schon wieder besser und so entscheiden wir uns weiterzufahren. Es geht nicht lange und wir befinden uns auf einer steilen Passstrasse. Langsam und stetig kämpfen wir uns den Berg hoch. Die Luft wird kühler und als wir in Playa de Belen angekommen sind, holen wir als Erstes unsere Pullover aus den tiefen unserer Schränke hervor. Das Dorf befindet sich auf einer Hochebene auf ca. 1500 Meter über Meer. Wie das „Playa“ in den Namen kommt, ist uns schleierhaft. Auf jeden Fall gibt es hier weit und breit keinen Strand, dafür aber einen süssen Dorfkern und, deshalb sind wir hier, rund ums Dorf ragen vom Regen geformte Sandstein-Formationen in die Luft. Nachdem wir am nächsten Morgen unseren Kaffee getrunken und dabei von einer zehnköpfigen Familie zu unserem Camper ausgefragt wurden, packen wir unsere Wanderrucksäcke und machen uns auf den Weg. Etwas ausserhalb des Dorfes befindet sich der Eingang zum Los Estoraques Nationalpark. Wir registrieren uns und wandern los. Die Landschaft hat etwas ausserirdisches. Überall um uns herum ragen teilweise 200 Meter hohe Türme scheinbar aus dem Nichts in die Luft. Leider ist Livia immer noch ein bisschen angeschlagen, weshalb wir uns für den kleinen Rundgang entscheiden. Schön war es trotzdem.

Nach einer eiskalten Dusche und einem letzten Kaffee auf dem Dorfplatz machen wir uns auf den Weg zum Chicamora Canyon, dem zweitlängsten Canyon der Welt. Auch hier geht es erst mal steil hoch, bevor wir auf dem Campingplatz ankommen, den wir uns zuvor herausgesucht haben. Gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang haben wir uns eingerichtet und auch Pia und Kristian, ein deutsches Pärchen, dass wir bei der Warterei in Cartagena kennengelernt haben, fahren gerade noch rechtzeitig ein. Zu viert auf unseren Campingstühlen sitzend schauen wir zu, wie die Sonne langsam am Horizont über dem Canyon untergeht. Ein fantastischer Anblick.

Heute steht ein ganz besonderer Punkt auf dem Programm. Wir gehen Paragliden! Im Canyon herrschen das ganze Jahr über optimale Bedingungen, was ihn zu einem Hotspot für Adrenalin Junkies aus aller Welt machen. Mit mulmigem Gefühl und steigendem Puls machen wir uns zu Fuss auf den Weg zum nahegelegenen Start- / Landeplatz. Nach einer gründlichen Sicherheitsinstruktion werden wir je einem Piloten zugewiesen, müssen aber erst mal warten, bis der Wind zulegt. Dann ist es so weit, wir heben ab. Ich versuche nicht daran zu denken, dass mein Leben buchstäblich an einem seidenen Faden hängt. Ok, mehreren um genau zu sein, aber dennoch. Doch nach ein paar Minuten gelingt es mir tatsächlich, mich ein wenig zu entspannen und den Flug zu geniessen. Als der Pilot dann noch fragt, ob er ein paar Manöver fliegen soll, willige ich nichtsahnend ein. Wenige Sekunden später befinden wir uns im Sturzflug Richtung Landeplatz. Auf wackeligen Beinen und mit einem Grinsen über beide Ohren laufe ich zu den anderen, die bereits am Rande des Platzes auf mich warten.

Wir laufen zurück zum Campingplatz und sprechen noch den ganzen Nachmittag über das einmalige Erlebnis. Kristian ist so angetan, dass er spontan entscheidet, den Flugschein bei einer Schule in der Nähe zu machen. Uns hat es zwar auch Spass gemacht, ganz so angefixt sind wir dann aber trotzdem nicht und so fahren wir nach einer weiteren Nacht im Canyon nach Barichara. Mit den Campingplätzen hatten wir in Kolumbien bisher immer Glück, was wir sehen, als wir in Barichara ankommen, übertrifft aber sämtliche Erwartungen. Eine offene Wiese überblickt wenig ausserhalb des Dorfes das Tal. Die Badezimmer sind mit Naturstein in die Erde eingelassen und die offene Küche ist aus dem Fundament einer ehemaligen Kaffeefarm gebaut. Wir werden herzlich von den Besitzern begrüsst und sind nicht erstaunt, als wir erfahren, dass die Frau Architektin ist. Auf der Stelle entscheiden wir, dass wir hier das bevorstehende Weihnachtsfest verbringen wollen.

Zwei Wochen verbringen wir in diesem kleinen Paradies und unternehmen täglich Ausflüge. Oft nach Barichara, dass zu Fuss über einen schmalen Pfad in 20 Minuten zu erreichen ist. Wir holen frisches Brot beim Bäcker, besuchen Museen oder schlendern einfach in der Kleinstadt umher. In Guiane, das ca. eine Stunde in die entgegengesetzte Richtung liegt, verlieben wir uns in ein vegetarisches Restaurant, weshalb wir auch dort gleich mehrmals einkehren. Auf einem Handelspfad, den noch die Spanier seinerzeit angelegt haben, wandern wir nach Cabrera, ein verschlafenes Bergdörfchen, das, so scheint es, kaum Touristen zu Gesicht bekommt. Uns geht es richtig gut, an diesem tollen Ort!

Weihnachten ist vorbei und wir haben Heiligabend gemeinsam mit den Besitzern und Gästen des Campingplatzes gefeiert. Jeder hat was mitgebracht, nur Livias Schlangenbrot-Teig ist einem der Hunde zum Opfer gefallen, als wir eine Sekunde nicht aufgepasst haben. Trotz der Idylle merken wir langsam, dass es Zeit wird weiterzuziehen. Wir packen zusammen, verabschieden uns von allen und fahren los. Nach fast zwei Wochen tut es gut, wieder den Fahrtwind zu spüren. Was weniger amüsant ist, ist die Strasse zu unserem nächsten Ziel. Im Schritttempo versuchen wir die Schlaglöcher zu umfahren. Keine einfache Aufgabe, denn streckenweise gibt es mehr Löcher als Asphalt. Als wir dann endlich in Las Gachas ankommen, schlüpfen wir in unsere Badesachen und dann ab ins kalte Nass. Die natürlichen Pools im Fluss wurden über Jahrhunderte durch das fliessende Wasser in den Fels gegraben. Der ideale Ort, um sich von den tropischen Temperaturen und einer anstrengenden Fahrt zu erholen!

Weiter nach Villa de Leyva. Die Kolonialstadt nahe von Bogota ist beliebtes Ausflugsziel bei Touristen und Einheimischen gleichermassen. Der Dorfplatz soll mit seinen stolzen 1.4 Hektaren Fläche der grösste Südamerikas sein und man kommt nicht darum, herum sich zu fragen, wie lange es wohl gebraucht haben muss, all die Pflastersteine zu arrangieren. Melvan stellen wir auf einem Parkplatz im Zentrum ab, wo wir laut einer netten Aufpasserin, die mindestens 90 Jahre alt ist, auch übernachten dürfen. Zu Fuss erkunden wir die Stadt. Es ist ganz schön etwas los, was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass in einigen Tagen Silvester ist. Wir lassen den Abend bei Pizza und Rotwein ausklingen, dann geht es zurück zum Parkplatz, wo wir eine ruhige Nacht verbringen.

Joyce und Bernhard, ein holländisches Paar, welches wir in Baricharra kennengelernt haben, sind ebenfalls auf dem Weg nach Villa de Leyva. Da der Parkplatz aber nicht wirklich eine entspannte Campingatmosphäre bietet, entscheiden wir uns umzuziehen. Am Rande der Stadt gibt es ein Hostel, in dessen Garten wir uns ausbreiten dürfen. Wir stellen die beiden Camper nebeneinander ab und gehen gemeinsam in die Stadt, um uns den wöchentlichen Markt anzuschauen. Auf dem Nachhauseweg werden wir von Platzregen überrascht. Wir können uns gerade noch in einen Kiosk retten, bevor sich die Strassen vor unseren Augen in Bäche verwandeln. Immer mehr Leute tun es uns gleich und im Nu ist der ganze Laden vollgestopft mit Menschen. Die Besitzerin nimmt es entspannt und dreht erst mal die Musik auf, dann gibt es eine Runde Süssigkeiten aufs Haus. Angetan von dieser Herzlichkeit, tätigen wir gleich unseren Silvestereinkauf hier und als es langsam aufhört zu regnen, machen wir uns mit Champagner im Gepäck auf den Weg zum Hostel.

Leider fängt es am Abend erneut an zu regnen, weshalb wir uns dazu entscheiden, Silvester zu viert im Hostel zu feiern. Lustig wird es trotzdem. Wir sitzen bis um zwei Uhr zusammen, trinken eine Flasche Champagner nach der anderen und tauschen Geschichten über das Reisen auf der Panamericana aus.

Ein weiteres Highlight Kolumbiens steht bevor. Die Catedral de Sal ist eine Kathedrale, die in den Stollen eines einstigen Salzwerks gebaut wurde. Eigentlich sind wir ja nicht so die frommen Kirchgänger, aber dieses Gotteshaus wurde uns von sicher einem Dutzend Leuten empfohlen. Ausserdem dürfen wir auf dem Parkplatz die Nacht verbringen. Diese Idee scheinen nicht nur wir zu haben, denn als wir ankommen, steht bereits ein Wohnmobil da. Kurzentschlossen klopfen wir an die Tür und werden von einer dreiköpfigen Familie begrüsst. Als Joyce und Bernhard wenig später auch noch eintreffen, gehen wir alle gemeinsam Richtung Eingang. Mit Audioguides laufen wir langsam den kunstvoll beleuchteten Gang entlang, immer tiefer ins Innere des ausgehöhlten Berges. Es ist schon imposant, wie die Künstler die riesigen Kreuze in den Stein gemeisselt haben. In insgesamt 12 Stationen wird die Geschichte Christi bis ins kleinste Detail erklärt, wobei wir schon nach Nummer 5 unsere Audioguides beiseitelegen. Wir hätten gerne etwas mehr über die Erbauung dieses einzigartigen Werkes erfahren, aber die Kuratoren scheinen sich für einen anderen Schwerpunkt entschieden zu haben. Schade. Zurück an der Oberfläche ist es bereits dunkel geworden. Wir tauschen noch schnell unsere Eindrücke untereinander aus und verschwinden dann in unsere jeweiligen Camper.

Nächster Halt: Bogota! Wie bereits öfters in Grossstädten, haben wir uns auch hier wieder ein Airbnb mit Parkplatz gemietet. Zuvor steht aber noch der Termin beim Mechaniker an. Nichts Weltbewegendes. Ein Ölwechsel und er soll sich den Temperatursensor mal genauer anschauen, den wir in Panama am Strand zusammengeflickt haben. Ein Service wäre eigentlich auch noch auf unserer Wunschliste gewesen, aber der Mechaniker schaut uns nur verdattert an. „Wo nichts kaputt ist, kann man auch nichts reparieren.“ Und so sind wir schneller als gedacht bei unserer Unterkunft für die nächsten Tage. Nachdem wir uns beim Personal angemeldet haben, werden wir samt Melvan mit dem Autolift in den 4. Stock gefahren, wo sich unser Parkplatz befindet. Es gibt doch immer wieder erste Male auf dieser Reise! Wenn man Overlander fragt, was sie an Städten am meisten schätzen, kommt oft Museen, Nachtleben, kulturelle Vielfalt etc. Fragt man dann nach einer ehrlichen Antwort, sind eigene Dusche, grosses Bett, Netflix und Lieferservice praktisch immer unter den Top fünf. So geht es auch uns. Zwar verschlägt es uns täglich auf Entdeckungstour in verschiedene Bezirke der Stadt, den Abend verbringen wir aber öfters genüsslich mit einer Pizza vor dem Fernseher.

Um den angefressenen Speck wieder loszuwerden, schwingen wir uns am Sonntag auf die Fahrräder. Ciclovia nennt sich die Initiative, dank der jeden Sonntag in Bogota ein riesiges Strassennetz für den motorisierten Verkehr gesperrt bleibt. Wir sind begeistert von der Idee, zumal unsere Fahrräder mitunter zu den Dingen gehören, die wir an Zürich am meisten vermissen. Auch bei den Einheimischen scheint die Aktion gut anzukommen und so radeln wir gemeinsam den vierspurigen Highway entlang und entdecken die Stadt nochmals von einer ganz anderen Seite.

Es war aber auch kalt und regnerisch in der Hauptstadt und so sind wir froh, als in Guatape wieder etwas frühlingshaftere Temperaturen herrschen. Das Dorf liegt an einem idyllischen Stausee und ist dank seiner Nähe zu Medellin ein beliebtes Ausflugsziel. Entsprechend voll ist der Parkplatz, auf dem wir uns für die Nacht einquartieren. Die Strassen sind bunt geschmückt und die Fassaden der Häuser mit traditionellen Malereien von Lamas, Fischern und anderen Alltagsmotiven verziert.

Am nächsten Morgen treffen wir Pia, die uns nach Kristians Paraglider-Kurs wieder aufgeholt hat, vor dem „El Peñol". Uns ist der Granitfels schon gestern bei unserer Anfahrt aufgefallen. Kein Wunder, ist es doch der einzige Stein weit und breit, der 220 Meter aus dem Boden hervorragt. Gemeinsam erklimmen wir die Treppe, die in eine der Felsspaten eingearbeitet wurde und werden, als wir oben ankommen, mit einer fantastischen Aussicht über die Seenlandschaft belohnt.

Uns gefällt die Gegend gut und so entscheiden wir uns noch ein paar Tage zu bleiben. Den Parkplatz tauschen wir gegen einen wunderschönen Campingplatz am See. Wie so oft sind wir die einzigen, als wir ankommen. Wir geniessen die den Nachmittag in der Sonne, leihen uns ein Kajak und paddeln auf dem See umher. Es hätte alles so schön sein können, wäre da nicht dieser Nagel im Pfosten des Unterstandes gewesen. Als wir von unserem Ausflug zurückkommen, und das Boot wieder an seinen Platz stellen wollen, erwischt Livia genau diesen Nagel. Keine zwei Sekunden dauert es, und die linke Kammer des Kajaks ist in sich zusammengefallen. Beschämt informieren wir den Besitzer, der dann meint, wir sollen ihm den Neuwert des Kajaks bezahlen. Wir sehen unseren Fehler ein, den Neuwert für ein in die Jahre gekommenes Boot zu verlangen, scheint uns aber dennoch übertrieben. Wir handeln aus, dass wir für die Reparatur aufkommen und diese auch selber organisieren. Einfacher gesagt als getan. Den restlichen Nachmittag fahren wir von Bootswerften zu Mechanikern und wo wir sonst noch so hin verwiesen werden. Letztendlich landen wir bei einem Tapeziergeschäft. Der Besitzer nimmt sich unserem Problem an, allerdings erst morgen und ohne Garantie, dass der Flicken halten wird.

Am folgenden Tag holen wir das Boot ab und präsentieren es dem Besitzer. Der Flicken hält tatsächlich, aber wer weiss, wie lange noch. Wir bezahlen für die Übernachtung und suchen so schnell es geht das Weite.

Dennoch bleiben wir in der Umgebung. Etwas ausserhalb von Guatape haben wir uns für einen einwöchigen Retreat angemeldet. Täglich Yoga, wandern, Spanisch lernen, ausschliesslich veganes Essen und kein Alkohol. Da wir im Van schlafen, hat uns die Besitzerin einen Preis gemacht, den wir kaum hätten ausschlagen können. Die kleine Finca liegt etwas abseits des Sees und ist umgeben von Farmland und Wäldern. Wir richten uns ein, lernen die anderen Gäste kennen und dann werden wir auch schon zum ersten gemeinsamen Abendessen gerufen.

Die nächsten Tage sehen alle gleich aus. Um 06:30 stehen wir für eineinhalb Stunden auf der Yogamatte, danach gibt es Frühstück bevor wir wandern gehen. Leider sieht sich unsere Spanischlehrerin eher als Wanderführerin und so sprechen wir vor allem untereinander und in der Sprache, die alle beherrschen; Englisch. Wenn wir von unserer morgendlichen Wanderung zurückkommen, steht das Mittagessen meist schon auf dem Tisch. Den Nachmittag verbringen wir oft in der Hängematte und lesen oder dösen vor uns hin. Das Handy bleibt praktisch den ganzen Tag über im Auto. Nur sporadisch checken wir unsere E-Mails und WhatsApp Nachrichten. Digital Detox.

Und als sich unser Körper allmählich an die ungewohnte Diät gewöhnt hat, wird es auch schon wieder Zeit zu gehen. Wir verabschieden uns von allen, bedanken uns bei der Gastgeberin und wenig später befinden wir uns auf der Autobahn Richtung Medellin. In die Stadt wollen wir aber vorerst noch nicht. Wir haben andere Pläne. Etwas ausserhalb befindet sich das Naturreservat „Parque Arví“ wo wir einen Campingplatz gefunden haben. Wüssten wir es nicht, würden wir nie auf die Idee kommen, dass nur wenige Kilometer bergabwärts Millionen von Menschen ihrem Alltag nachgehen. Hier oben herrscht die Ruhe selbst. Nach einer kühlen und geräuschlosen Nacht breiten wir unsere Yogamatten auf der Terrasse aus und laufen danach durch den Wald. Wir wollen aus der Routine, die wir die letzte Woche hatten, eine Gewohnheit machen. Als wir zurückkommen, sehen wir Jeff und Kathy schon von weitem oder besser gesagt dessen Monstrum eines Wohnmobils. Wir kennen die beiden von Costa Rica und verstehen uns prächtig. Beim Anblick von den beiden Campern nebeneinander müssen wir aber doch schmunzeln.

Heute offenbart sich der geniale Part unserer Routenplanung, es gibt nämlich noch einen weiteren Grund, weshalb wir uns genau diesen Campingplatz vor Medellin ausgesucht haben. Wir packen unsere Sachen für die nächsten Tage, stellen Melvan hinter dem Haus ab und fahren mit dem Taxi zur Bergstation. Dann geht es mit der Gondel weiter. Richtig gehört. Medellin hat mehrere Gondelbahnen in seinem öffentlichen Verkehrsnetz, die die umliegenden Hügel und Berge mit dem Stadtzentrum verbinden. In einer davon sitzen wir jetzt und staunen nicht schlecht, als sich ein Tal voll mit Häusern vor uns auftut. Langsam schweben wir über die Dächer hinweg und landen schliesslich am tiefsten Punkt, wo es mit der S-Bahn weitergeht. In El Poblado, einem Trendviertel der Stadt, beziehen wir unser Airbnb und freuen uns schon, die zahlreichen Restaurants und Cafés zu besuchen, die wir auf dem Weg hier hin gesehen haben.

Doch wir sind nicht nur zum Vergnügen hier. Einige Tage zuvor haben wir einen, seien wir mal ehrlich, längst überfälligen Zahnarzttermin gebucht. Ausserdem wollen wir unsere Spanisch-Kenntnisse aufpolieren und werden deshalb die nächste Woche nach längerer Zeit wieder mal die Schulbank drücken. Nachmittags bleibt uns dennoch mehr als genug Zeit, die Stadt zu erkunden. Wir gehen in die berühmt, berüchtigte Comuna 13, einst eines der gefährlichsten Pflaster der Welt, heute Touristenattraktion, essen uns durch die kulinarischen Highlights von El Poblado und nehmen an der interessantesten Free Walking Tour unseres Lebens teil. Besucht man heute diese junge, moderne Stadt übersieht man schnell die Geschichte, die dahinter steckt. Das Land von einem jahrzehntelangem, blutigen Bürgerkrieg geprägt und Medellin fest in den Fängen der Kartelle, haben sie es innert weniger Jahre geschafft, einer der lebensfeindlichsten Gegenden dieser Welt in eine florierende Metropole zu verwandeln. All dies vermittelt uns unser Guide in den drei Stunden so, dass wir, als wir uns auf dem Nachhauseweg befinden, das Gefühl haben, wir wären selbst dabei gewesen. Wenn ihr jemals eine Tour durch Medellin macht, fragt nach Pablo!

Mit blitzeblanken Zähnen und jede Menge neuer Vokabeln im Gepäck geht es nach fast zwei Wochen wieder zurück zu Melvan. Uns hat Medellin gut gefallen, wir freuen uns aber auch auf das Leben im Camper und die Natur. Was gäbe es also für einen passenderen Ort für unser nächstes Reiseziel als Jardin, zu Deutsch „Garten“. Wir sind mit Tom und Eve verabredet. Einem südafrikanisch / kanadischem Paar, dass wir, wie könnte es auch anders sein, ebenfalls in Cartagena beim Warten auf unsere Camper kennengelernt haben. Aber die Fahrt war lange und anstrengend und so verschwinden wir nach dem gemeinsamen Nachtessen schneller als von unserem Stadt-Rhythmus gewohnt im Bett.

Ausgeschlafen und voller Tatendrang machen wir uns auf zu einer Rundwanderung ums Dorf durch die umliegenden Hügel. Als wir nach zwei Stunden schon wieder zurück sind, genügt uns das nicht. Auf zur zweiten Wanderung. Dieses Mal ein nahegelegener Wasserfall. Auch hier haben wir uns um ehrlich zu sein etwas mehr erhofft, aber da ich die Badehosen schon eingepackt habe, setzte ich mich dennoch kurz in das eiskalte Rinnsal.

Zurück im Dorf treffen wir auf Tom & Eve, die auf dem Weg in ein Reservat sind, um einen ganz speziellen Vogel zu beobachten und fragen, ob wir mitkommen möchten. Eigentlich nicht wirklich unser Ding, aber wieso nicht. Tatsächlich sollte es das Highlight unseres heutigen Tages werden. Der Gallito de Roca ist weder selten noch besonders schwer zu finden. Die Männchen versammeln sich jeden Tag zum Sonnenuntergang auf der gleichen Waldlichtung und buhlen mit Tanz und Gesang um die Gunst der Weibchen. Auffällig ist aber ihr Aussehen. Das Gefieder ist leuchtend Rot und auf dem Kopf ragt ein Vorsatz heraus, der wohl eher unpraktisch ist, aber was tut man nicht alles, um die eigenen Gene eine Generation weiterzugeben.

Nach diesem Spektakel gönnen wir uns erst mal Bier und Pizza auf dem Dorfplatz. Es ist Samstagabend und entsprechend viel los auf den Strassen. Es wird getrunken und gefeiert. Eine Sache fällt uns besonders auf. Um den gesamten Platz verteilt sitzen Reiter auf ihren Pferden vor den Bars und bechern, was das Zeug hält. Für die Barkeeper scheint das nichts Aussergewöhnliches zu sein. Die Reiter werden bedient, als würden sie an einem Tisch sitzen und ziehen meist nach ein paar Drinks weiter in die nächste Bar. Ein Schauspiel, das sich wohl am besten mit den Luxusschlitten vergleichen lässt, die samstagabends die Langstrasse rauf und runter fahren.

Für welchen Rohstoff, der mit K beginnt, ist Kolumbien bekannt? Genau, Kaffee! Wir kehren ein in einer der zahlreichen Kaffeefarmen und staunen nicht schlecht. Eine traumhaft schöne Hacienda mit Pool inmitten von Kaffeesträuchern, ein Museum, dass als Showroom und Shop dient und ein Angestelltenhaus, dass zu einem Hostal umfunktioniert wurde, wo auch wir die Nacht verbringen werden. Die Tour durch die Plantage ist spannend, zieht sich aber etwas hin, insbesondere weil wir bereits in Guatemala eine Führung durch eine Kaffeeplantage unternommen haben und uns somit vieles bekannt vorkommt. Einzig die Verarbeitung ist neu für uns, da die Plantage in Guatemala den Kaffee roh verkauft hat. Schön war es trotzdem, durch die endlosen, grünen Hügel zu spazieren.

Von der Kaffeeregion geht es steil hinauf in die Berge. Salento grenzt an den Los Nevados Nationalpark und ist ein beliebter Ausgangspunkt für viele Wanderer. Auch wir haben eine mehrtägige Wanderung geplant. Wir stellen Melvan auf einem Reiterhof ab und machen noch letzte Besorgungen, danach packen wir für die kommenden Tage.

Am nächsten Morgen geht es los. Um 5:15 Uhr klingelt der Wecker. Wir laufen zum Dorfplatz, wo wir von einem vollgepackten Jeep bis nach Valle del Cocora mitgenommen werden. Bei einem Park Ranger melden wir uns an, dann geht es zu Fuss weiter. Die ersten Kilometer laufen wir durch einen tropischen Wald an einem Fluss entlang, danach geht es steil bergauf. Wir sind langsam, zum einen, weil wir mit Zelt, Schlafsack, Essen, etc. einiges an Gewicht mitschleppen, aber auch die Höhe macht uns zu schaffen. Nach 12 Kilometern kommen wir endlich an unserem Etappenziel an. Mit brennenden Oberschenkeln stellen wir unser Zelt auf, kochen uns Pasta, um unsere Energiespeicher für den nächsten Tag zu füllen und gehen bereits kurz nach Sonnenuntergang schlafen.

Erstaunt darüber, wie gut sich unser Körper von den gestrigen Strapazen erholt hat, laufen wir am nächsten Tag los. Nach einem weiteren steilen Anstieg befinden wir uns auf einer Hochebene, dem sogenannten Paramo, und sehen zum ersten Mal Frailejones. Wäre die Pflanzenwelt einen Highschool-Film, wären die Frailejones die Freaks. Die Pflanze bezieht ihr Wasser zum grössten Teil über ihre feinen Härchen an den Blättern aus der Luft und scheidet Überschüsse durch ihre Wurzeln in den Boden aus. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass 80 % des gesamten Trinkwassers Kolumbiens von Paramos kommt. Wir bahnen uns den Weg durch diese surreale Landschaft und kommen bald am Fusse des ParamillodelQuindio an. Wir stellen unser Zelt auf, lassen sämtlichen Palast da, den wir nicht brauchen und machen uns auf zum Gipfel. Trotz leichtem Gepäck sind wir langsamer als zuvor. Alle zehn Schritte müssen wir eine Pause einlegen. Kein Wunder, denn mittlerweile sind wir auf 4500 Meter über Meer. Zudem scheint das Wetter umzuschlagen und die Sicht wird zunehmend schlechter. Wir entscheiden, umzukehren. Beim Zelt angekommen, verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke und ruhen uns aus. Als wir den Reissverschluss des Zeltes das nächste Mal öffnen, ist der Himmel wieder strahlend blau und als die Sonne langsam untergeht, während wir in klirrender Kälte unser Abendessen zubereiten, haben wir das Gefühl, die einzigen Menschen auf diesem Planeten zu sein.

Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, als wir am nächsten Morgen den Rückweg antreten. Das Wetter ist gut und die Stimmung, trotz stürmischer Nacht, noch besser. Wir kommen zügig voran. Kein Wunder, geht es doch grösstenteils bergab. Als wir bei unserem geplanten Übernachtungsplatz ankommen, ist es gerade mal Mittag. Wir entscheiden uns weiter zur nächsten Finca zu wandern. Als wir beim Casa Colibri ankommen, erwartet uns jedoch eine böse Überraschung. Geschlossen! Zwar sind noch ein paar Mitarbeiterinnen des Restaurants da, das Hotel ist aber wegen Renovationsarbeiten geschlossen. Es ist bereits 17:00 Uhr und wir sind völlig erschöpft, kein Wunder, sind wir doch schon seit 12 Stunden auf den Beinen. Doch alles jammern hilft nichts. Wir müssen weiter. Im Laufschritt geht es die letzten Kilometer durch das grüne Tal. Als wir in Cocora ankommen, ist es bereits dunkel. Mit letzter Kraft stellen wir unser Zelt auf und kochen unser Abendessen.

Wegen der Hetzerei vom Vortag haben wir die Aussicht gar nicht richtig geniessen können. Nur blöd, dass auf diesem Abschnitt die seltenen Wachspalmen zu sehen gewesen wären. Also Sachen packen und nochmal hoch. Wir spüren unsere Beine von den letzten Tagen, aber zum Glück ist der Weg zu den Palmen nicht weit und schwer zu Endecken sind sie auch nicht. Bis zu 60 Meter ragen die ansonsten recht ordinären Palmen aus dem Boden und haben sich somit den Titel als höchste Palmenart der Welt verdient. Leider ist sie durch die sich ausbreitende Landwirtschaft in ihrem ohnehin schon begrenzten Lebensraum vom Aussterben bedroht. Wir schiessen ein paar Fotos, bevor die grossen Menschenmassen ankommen und machen uns auf den Rückweg.

Zurück in Salento würden wir uns eigentlich am liebsten einfach nur noch hinlegen. Dennoch raffen wir uns auf und legen Zelt, Matten und unsere Kleidung zum Trocknen in die Sonne und verstauen alles andere. Dann endlich die lang ersehnte Dusche und ein kurzes Nickerchen. Am Nachmittag gönnen wir uns in einem nahegelegenen Hotel spontan eine Massage, um die überstrapazierten Muskeln etwas zu entspannen und anschliessend einen Veggie-Burger für das geistige Wohlbefinden. Während wir unser Nachtessen in vollen Zügen geniessen, sprechen wir darüber, wie diese Wanderung sowohl körperlich als zeitweise auch psychisch eine der härtesten Erfahrungen war, die wir in unserem Leben bewältigt haben und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb, schon jetzt zu den besten Erinnerungen unserer Reise gehört. Stolz und hundemüde fallen wir diese Nacht ins Bett, sind dankbar für die weiche Matratze unter und die warme Decke über uns und schlafen sofort ein.

Von den Bergen in die Tatacoa Wüste. Bis dahin sind es allerdings noch einige Stunden Fahrt. Zuerst auf einem Highway, doch dann biegen wir ab und sind ab da für mehr als zwei Stunden auf einer holprigen Schotterpiste unterwegs. Die Fahrt ist kräftezehrend, heiss und staubig. Unterwegs überholen wir eine deutsche Familie in einem Mercedes Sprinter, die glauben müssen, wir hätten es eilig. Tatsächlich fahren wir nur wegen der fehlenden Klimaanlage so schnell. Denn so kommt wenigstens ein bisschen frische Luft ins Auto. An unserem Zielort, einem Parkplatz am Rande eines kleinen Observatoriums angekommen, laufen wir erst ein paar Schritte, entscheiden uns dann aber, die Wanderung durch die Wüste auf den nächsten Morgen zu verschieben und kehren um. Zurück auf dem Parkplatz ist die Familie nun ebenfalls angekommen. Wir stellen uns vor und verabreden uns zu einem gemeinsamen Camping-Abendessen.

Kaum hat es die Sonne über den Horizont geschafft, wird es brütend heiss. Wir machen uns dennoch auf den Weg. Die Tatacoma Wüste ist nicht flach, sondern besteht aus einem riesigen Labyrinth aus vom Regen geformten Sandstein. Das rötliche Gestein und die Schluchten erinnern uns ein bisschen an einen Grand Canyon im mini Format. Wir steigen hinunter und bahnen uns einen Weg durch die Schluchten. Wieder einmal sind wir verwundert, hier nicht mehr Touristen anzutreffen, denn die Landschaft ist wahrlich einzigartig. Den Rest des Vormittags verbringen wir damit, die Felsformationen aus allen möglichen Winkeln zu bestaunen.

Gegen Mittag befinden wir uns bereits wieder auf der Schotterstrasse, als wir das Schild entdecken, das für eine Fähre wirbt, die über den Fluss eine direkte Verbindung zum Highway auf der anderen Seite bietet. Wir können es kaum glauben! CHF 10.- und 5 Minuten später sind wir dann tatsächlich auf der Auffahrt zum Highway. Hätten wir das doch nur schon auf dem Hinweg gewusst! Im Eiltempo geht es weiter Richtung San Agustin, wo wir erst spät am Abend auf dem Campingplatz ankommen.

Nachdem wir am nächsten Morgen gemütlich unseren Kaffee getrunken haben, machen wir uns auf den Weg zum archäologischen Museum. Um ehrlich zu sein, wussten wir davon nichts. Der Stopp in San Agustin war ein eher zweckmässiger Zwischenhalt auf unserem Weg in den Süden. Umso erstaunter sind wir darüber, dass der Rundgang im Freiluftmuseum satte drei Stunden gehen soll. Es ist schon kurz vor 12:00 Uhr und wir haben noch nicht mal gefrühstückt. Zum Glück verkauft der Stand neben dem Eingang Empanadas; kleine gefüllte Teigtaschen, die in Kolumbien an jeder Strassenecke angeboten werden. Wir verschlingen zwei und machen uns gestärkt auf den Weg. Die Anlage führt durch den Dschungel und immer wieder laufen wir an kunstvoll gemeisselten Steintafeln vorbei. Die meisten von ihnen haben Abbildungen von Menschen mit tierischen Zügen darauf und sind um die 2000 Jahre alt. Der Pfad ist schön gemacht und allgemein ist alles sehr stilvoll und interessant präsentiert. Ein Museumsbesuch der anderen Art.

Das Strassennetz von Kolumbien wird gewissermassen von den Anden diktiert. Es gibt drei Bergketten, die zwei gigantische Täler formen. Von Tal A nach Tal B zu kommen, ist ein Abenteuer für sich. Zwar gibt es Pässe, diese lassen mit Namen wie „trampolin de lamuerte“ aber keinen Zweifel über deren Zustand aufkommen. Dennoch bleibt uns nichts anderes übrig. In der Wüste ist uns das Propan ausgegangen, seither benutzen wir unseren Campingkocher, der mit Benzin läuft, um warme Mahlzeiten zuzubereiten. Der einzige Ort in ganz Südkolumbien, an dem wir unseren Propantank auffüllen können, ist Popoyan und das liegt nun mal auf der andern Seite. Wir fahren los und mit jeden Kilometern, den wir zurücklegen, wird die Strasse schlechter. Erst sind es nur Risse und Löcher im Asphalt, aber schon bald wanken wir über eine Schlammstrasse, die ihresgleichen sucht. So geht es ein paar Stunden, bis sich wie eine Fata Morgana eine perfekt asphaltierte Strasse vor uns auftut. Wir sind mitten im Nirgendwo und schon seit Stunden an keinem Dorf mehr vorbeigefahren. Wer kommt auf die Idee, hier eine Strasse zu bauen? Wir lassen das Hinterfragen und sind einfach nur froh darüber, das Schlimmste hinter uns gebracht zu haben.

Da heute Sonntag ist und der Gas-Laden geschlossen hat, fahren wir noch ein Stückchen weiter, denn ganz in der Nähe liegt die Finca Bonanza, die uns schon mehrmals von Reisenden empfohlen wurde. Speziell die Kochkünste des Gastgebers sollen Spitzenklasse sein und so haben wir uns schon im Voraus für das Abendessen angekündigt. Eine gute Entscheidung, haben wir doch, wie so oft, wenn wir unterwegs sind, den ganzen Tag nichts gegessen. Und weil wir schon mal da sind, schauen wir uns am nächsten Tag gleich noch Silvia an. Das Dörfchen liegt ein paar Kilometer aufwärts am Ende des Tals und ist berühmt für seinen authentischen, indigenen Markt. Diesen haben wir leider um einen Tag verpasst, aber dennoch fällt uns die farbenfrohe Kleidung und der hohe Anteil an indigenen unter den Passanten auf. Wir laufen durch die Gassen hinauf zur Kirche und wieder zurück auf den Dorfplatz. Begleitet werden wir seit unserer Ankunft auf Schritt und Tritt von einem freundlich dreinschauenden Strassenhund. Selbst in die Markthalle und den kleinen Werkzeugladen, in dem wir noch ein paar Besorgungen machen, folgt er uns. Wir sind drauf und dann in zu adoptieren, als uns der Kassierer sagt, dass der Hund bekannt dafür ist, Neulinge im Dorf herumzuführen. Ein erfülltes Leben, so scheint es uns.

Wir sind angespannt, als wir vor der Einfahrt des Industriegeländes stehen, indem unser Gas-Kontakt seine Werkstatt hat. Bisher wurden wir von sämtlichen Gasverkäufern abgewiesen, weil unser Tank fix am Auto montiert ist und wir somit auf das Gelände fahren müssten. Ein Ding der Unmöglichkeit in Kolumbien. Gas wird hier so stark bewacht und reguliert, als stände die nationale Sicherheit auf dem Spiel. Hier scheint es allerdings keine Probleme zu geben. Nach nicht einmal 10 Minuten sind wir voll betankt wieder auf der Autobahn Richtung Süden. Leider lässt das nächste Hindernis nicht lange auf sich warten. Vor einigen Wochen gab es einen riesigen Erdrutsch, der ein grosses Stück Autobahn mitgerissen hat. Zwar wurde mittlerweile eine Umleitung geschaffen, mit längeren Wartezeiten ist dennoch zu rechnen. Wir stellen uns in die Schlange und warten. Nach einer Stunde stillstand, kommt dann endlich Bewegung in die Kolonne. PKWs dürfen überholen, LKWs bleiben erst mal stehen. Gut für uns, denken wir uns, fahren die schmale Seitenstrasse, jedoch nicht für lange. Nach 10 Minuten stehen wir im nächsten Stau. Geschlagene drei Stunden geht es im Schritttempo oder gar nicht vorwärts. Unsere Nerven liegen blank. Als es dann auch noch zu regnen beginnt, ist die Laune endgültig im Keller, aber damit nicht genug. Die asphaltierte Strasse hat in einem Dorf auf halber Strecke geendet, nun sind wir auf einer provisorischen Schneise quer durch den Wald unterwegs. Eine Schlammrutsche durchzogen mit Löchern und als wäre das nicht genug, wird es auch schon dunkel. Als wir endlich wieder auf dem Highway landen, ist es Nacht. Sämtliche Campingplätze, die wir auf der Strecke herausgesucht haben, sind zu oder nicht existent. Nach zwei weiteren Stunden Fahrt im Dunkeln kommt uns die Tankstelle, auf der wir schlussendlich gelandet sind, vor wie ein 5-Sterne-Hotel. Ohne Worte fallen wir ins Bett und schlafen sofort ein.

Neuer Tag, neues Glück. Wir fahren weiter nach La Cocha, das wegen seiner Kanäle und den vielen Brücken auch klein Venedig genannt wird. Uns erinnert es mehr an unsere Zeit in Alaska. Es ist überraschend kalt hier und so spazieren wir nur kurz umher, bevor wir uns in einem Café aufwärmen. Unser Campingplatz ist etwas ausserhalb des Dorfes und so fahren wir noch die letzten Kilometer dem See entlang, bis wir im Chalet Guamuez ankommen, eine riesige Hotelanlage direkt am Wasser. Unschwer zu erkennen, dass sie von einem Schweizer erbaut wurde. Überall hängen Schweizer Flaggen, Geranien in den Blumenkästen und auch der Baustil lässt keine Zweifel übrig, dass hier ein Eidgenosse am Werk war. Nur die Speisekarte des Restaurants verrät, dass Kolumbianer die Leitung übernommen haben und so gibt es halt Trucha statt Fondue zum Abendessen.

Mit jedem Tag rückt Ecuador ein bisschen näher. Da Lebensmittel hier aber noch einiges günstiger sind, machen wir einen letzten Grosseinkauf in Pasto. Dann geht es zur Santuario de Las Lajas, eine der berühmtesten Kirchen ganz Kolumbiens. Der Geschichte nach soll eine Mutter mit ihrer todkranken Tochter an genau dieser Stelle die Jungfrau Maria gesehen haben. Als die Tochter wenige Tage später genesen war, hat die Gemeinde beschlossen eine Kirche an dieser Stelle zu errichten. Uns interessiert aber eher die Architektur. Die neogotische Kirche und die Brücke davor sind tief in eine Schlucht gesetzt, die mittlerweile auch per Auto erreichbar wäre, wir entscheiden uns aber für die Gondelbahn. Man kann sich kaum vorstellen, wie umständlich es gewesen sein muss, an dieser Stelle eine Kirche zu bauen, das Resultat kann sich aber wirklich sehen lassen und das nicht nur von weitem. Überall in sind Gedenktafeln in den Fels um die Kirche eingelassen und liebevoll mit Blumen dekoriert. Es ist gerade Messe und so sehen wir zwar nicht, was im internen der Kirche geschieht, dafür sind wir praktisch alleine bei unserem Spaziergang um die Kirche. Zurück auf dem Parkplatz der Gondelbahn verstauen wir noch unseren Einkauf und bereiten unsere Dokumente für den Grenzübergang vor.

Als wir aufwachen, ist es bereits hell. Komisch, hatten wir doch am Abend zuvor verabredet, um 6:00 Uhr aufzustehen, um möglichst früh an der Grenze zu sein. Nur blöd, dass niemand den Wecker gestellt hat. Wir nehmen es mit Humor und fahren nach einem Kaffee gemütlich los. Auf dem Weg lassen wir die vergangenen drei Monate nochmal Revue passieren. Noch in Zentralamerika hatten wir Zweifel, ob wir mit der Verschiffung von Melvan auf den nächsten Kontinent den richtigen Schritt wagen. Heute sind wir sicher, dass es die einzig richtige Entscheidung war. Kolumbien ist so vielfältig wie kaum ein Land, dass wir besucht haben. Von karibischen Traumstränden bis schneebedeckten Berggipfeln war einfach alles dabei. Wir wären traurig gehen zu müssen, wüssten wir nicht, dass in Ecuador neue Abenteuer auf uns warten.

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